20.05.2019 – Camino Aragonés 2. Tag

von Katja Härle

20. Mai 2019

Jaca – Santa Cilia de Jaca

über Atarés und Santa Cruz de la Seros
(ca. 23,5 km)

Heute liegen anstrengende und gleichzeitig fantastische 7,75 h reine Gehzeit hinter mir. Der Tag bietet perfektes Wanderwetter: Sonne pur bei strahlend blauem Himmel und angenehmen 16-18 Grad und einer immer wieder auffrischenden Brise. Ich wähle heute eine im Jakobswegführer alternativ beschriebenen Wegstrecke, die mich noch weiter vom Trubel führen soll. ?? Auch heute begegne ich wie gestern keiner Pilgerseele auf dem Camino. Ich bin die ganze Zeit für mich. In der Pilgerherberge von Jaca waren mit mir auch nur 7-8 Pilger. Also nein, ganz alleine zu sein, war nicht das Motiv. Die ursprüngliche Wegstrecke sprach mich einfach nicht an, zu viel entlang der Straße. Und vielleicht habe ich auch eine kleine Herausforderung gesucht. Naja, das Letzte tatsächlich eher weniger. Denn die gewählte Strecke wartet mit zwei beachtlichen sowohl Auf- als auch Abstiegen auf:

Den Ersten davon nehme ich noch mit.
Nach einer dreiviertelstündigen Pause in Atarés breche ich erst noch voller Tatendrang auf. Und das, obwohl mich der erste Berg schon ganz schön gefordert hatte. Nach knapp einem Kilometer kommen mehr und mehr Zweifel. Dort oben das Kloster anschauen reizt mich ebenso wenig, wie die angekündigten Ausblicke. Davon gab es bereits schon bei der vorherigen Anstrengung einige. So entscheide ich mich kurzer Hand einen neuen Weg zu suchen, der das Ganze vereinfacht und mich dennoch ans Etappenziel bringt. Da ich schon vor Atarés bereits einmal die offizielle Wegführung verlassen hatte – die eigens gewählte lag besser, schien optimaler – und damit also geübt war im Fährtenlesen (manchmal ist auch auf dem beschriebenen Jakobsweg der Weg kaum zu sehen), disponierte ich schnell um.

Die kommende Strecke war allerdings ebenfalls von stetem Auf und Nieder geprägt, so dass ich schnell merkte, dass das die richtige Entscheidung war, mir nicht auch noch einen mindestens 1,5-2-stündigen Aufstieg anzutun. Mir schwinden zusehends die Kräfte. Ca. 6 Kilometer vor dem heutigen Ziel trotte ich dann nur so dahin in einem sehr meditativen Zustand: zu mehr, als mich auf meine Schritte zu konzentrieren und auf den Wegverlauf, bin ich nicht mehr im Stande.

Nach dem ich heute Morgen nach einem Frühstück gegen 9-9:15 Uhr in Jaca gestartet war, komme ich um 17:20 Uhr in Santa Cilia de Jaca an.

In der Herberge ist neben einem weiteren Pilger niemand untergebracht. Und da hier in den Schlafsälen Geschlechtertrennung herrscht, dürften wir wohl beide in den Genuss eines Einzelzimmers kommen☺️

Die Herbergsmutter – Juana-Maria – überrascht mich: sie spricht Deutsch. Sie macht das aus Leidenschaft. Neben Deutsch spricht sie nämlich zudem Französisch und Italienisch. So bliebe sie mit den Sprachen verbunden und könne sie anwenden, sagt sie. Sie ist Hospitalera mit Leib und Seele, das merkt man. Ich bin gespannt auf das Pilgerabendessen, das ich wohl mit dem einzigen Pilger, einem Italiener, einnehme, den ich schon von der Herberge in Jaca kenne.
Bett und Essen kosten hier zusammen 20 Euro. Sehr günstig im Vergleich zu den vorigen Nächten und Essen. Und dabei das erstmal diese Herzlichkeit, weshalb ich es so liebe, in Pilgerherbergen zu nächtigen. Das Mineralwasser gibt’s kostenlos obendrauf. Das gab’s noch nie.

Fazit dieses Tages:
Neben der schönen Strecke, den Unwegsamkeiten, die ich alle wegemutig (kein Schreibfehler ☺️) gemeistert habe, meinen ganz eigenen Weg gegangen bin, fernab von Pilgerführer und Empfehlungen und so einen netten Empfang hier hatte, war alles genauso wie es sein sollte – intuitiv und dem Bauch nach?

Und jetzt sitze ich in der hier einzigen Bar, in die offenbar alle Frauen des Dorfes kommen (ungewöhnlich, oder?) und trinke ein kleines Abschlussbier. Und da trällert und pfeift ein Piepmatz über mir sein Lied. Schöner kann der Tag fast nicht enden…

Heutige Wegimpressionen:

Die Armee trainiert… voll bepackt rennen sie durch den Morgen, als ich Jaca eben verlassen will.

Die Schneebedeckten Pyrenäen liegen hinter mir.

Noch ist der Weg zu erkennen…

…jetzt wird’s schwierig…

… und so baue ich mein erstes Steinmanderl, so dass folgende Pilger den Weg besser finden.

Den Ausblick genießen…

…und Quatsch machen?

Ganz schön unwegsames Gelände…

…aber diese Aussicht ist jede Beschwerlichkeit wert. Ein Traum.

Jaaaaa, in dieses Loch führt mein Weg. Zugegeben das ist ein Wegabschnitt, den ich abseits des beschriebenen Wanderweges ging. Mutig, gell?

Dahinter findet sich dann auch ein Trampelpfad ?

Und irgendwann auch wieder ein richtiger Weg.

Ich durchstreife traumhafte Landschaften.

Der Weg ist manchmal ganz schön verwuchert…

… dass kaum ein Durchkommen ist. Seht ihr den Weg noch? Und wohlgemerkt: das ist der offizielle Jakobsweg!!

Da geht’s hin. Noch knapp 3 km.

Und ich bin froh, dass es jetzt essen gibt. Ich habe einen Bärenhunger ?

Tja, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben: und dann kommen doch glatt um 20:30 Uhr wieder diese zwei Pilgerfrauen, die ich auch schon in Somport (nicht die Amerikanerinnen) und in Jaca in der Herberge gesehen habe. Damit ist mein Einzelzimmer futsch ?



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