#09 – Übung im Loslassen

von Katja Härle

2. Juli 2021

Die 9. Woche bringt weiterhin keine neuen Erkenntnisse. Es schleicht sich der Eindruck ein, dass ich gar nicht baue. Tja, erneut darf ich beweisen, dass ich die Zeit dennoch zu nutzen weiß. Dieses Mal mit Ausmisten!

Das ist ohnehin eines meiner Lieblingsthemen. Aussortieren, ausmisten, loslassen, sich entlasten um nicht mehr erforderliche Dinge. Seit ich das erste Mal vor Jahren auf dem Jakobsweg unterwegs war und nur mit sehr wenig für Wochen auskam, forste ich regelmäßig meine Besitztümer durch und lasse gehen, was ich nicht mehr brauche. Zugegeben, die Entscheidung fällt nicht immer leicht, weil nicht jeder Tag gleich ist. Da ich allerdings immer wieder aussortiere, ist das nicht weiters schlimm. Dann gelingt es halt beim nächsten Mal besser.

Aber wieso überhaupt aussortieren und was hat das mit meinem Projekt zu tun?

Wer in ein Mini-Haus ziehen will oder ganz grundsätzlich sich dem Minimalismus verschrieben hat, kommt unweigerlich um das Thema Aussortieren nicht drumrum. Und es zieht deutlich weitere Kreise: es betrifft die eigene Haltung zum Besitzen. Und die hat nicht nur auf das bereits vorhandene Hab und Gut einen Einfluss, sondern ebenso auf das Kaufverhalten. Auch ich darf mich da noch üben, weil die Verführbarkeit, die Anreize von außen nehmen ja nicht unbedingt sofort ab. Nein. Auch ich neige dazu, schöne Dinge gerne besitzen zu wollen. Und wenn ich dann die 3. Kuscheldecke mit nach Hause bringe (ja, ich habe eindeutig eine Schwäche für Wohnaccessoires), merke ich, dass ich noch viel zu oft 1) einer Verführung unterliege und 2) nicht weiß, was daheim im Schrank liegt. Gerade deshalb möchte ich weiterhin reduzieren, um meinen Besitztum wirklich überschaubar werden zu lassen. Letztlich ist die Erkenntnis schlagend: das Meiste meines Besitzes nutze ich nie, oder kaum. Wer braucht also wirklich 3 Kuscheldecken? Und vor knapp 2 Jahren waren es dann so weit, dass ich mich sogar von meinem ganzen Gerümpel erdrückt gesehen habe, insbesondere von all den ungenutzten Gegenständen. In einem Rappel habe ich dann zudem beschlossen, meine 78 qm Münchner West-Wohnung aufzugeben, mit den meisten Möbeln darin. Da nahm das Thema seinen Lauf. Denn da wurde der Grundstein gelegt für mein jetziges Projekt. Optionen, danach aufs Land in eine kleinere Wohnung zu ziehen, gab es zuhauf. Nur keine wollte mir recht gefallen oder zu mir passen. Und damit mein Mini-Haus meinen Anforderungen und meinen Bedürfnissen entspricht, entwerfe ich es so, wie ich zukünftig leben will. Ist das nicht das eigentliche Ziel, wenn man baut? Dass man ohne Kompromisse genau das umsetzen kann, was zu einem passt? Ja, sicher ändern sich Bedürfnisse und das ist auch ok so. Und eine gewisse Flexibilität und Voraussicht braucht es schon, nur ja nicht zu sehr daran verhaftet, denn alle Eventualitäten vorhersehen ist unmöglich. Meistens kommt es ohnehin anders, als man denkt. Aber meine heutigen Bedürfnisse kann ich beachten. Sträflich wäre es, wenn ich das unterließ.
Und so nutze ich eben die Zeit zum erneuten Ausmisten. Und ich war erfolgreich: 2 große Wäschekörbe voll Inhalt habe ich ausgemistet und das ist bei 14 Umzugskartons, die ich noch besitze, ca. 10%. Also nicht schlecht.

Wie man das erreicht?

Das ist eigentlich ganz einfach, wenn man 3 Goldene Regeln beherzigt:

  1. Konzentriere Dich auf eine Kategorie (z.B. Schuhe, Bücher, T-Shirts, CDs oder oder) und bringe alles, was Du in dieser Kategorie besitzt an einen Ort. So siehst Du, was Du alles besitzt (also wie viele Paar Schuhe, wie viele Bücher etc.).
  2. Nimm jedes Teil in die Hand und entscheide jeweils:
    1. brauche und benutze ich das Teil? und/ oder
    2. liegt es mir am Herzen (z.B. weil Du es mit etwas aus der Vergangenheit verbindest, das Dir wichtig ist; es ein schönes Gefühl auslöst, wenn Du es betrachtest usw.)
  3. Wenn weder a noch b zutrifft, dann darf das Teil gehen. Und hier gibt es wieder mehrere Möglichkeiten:
    1. verschenken
    2. spenden
    3. verkaufen
    4. wegwerfen – diese Option ziehe ich nur dann, wenn der Gegenstand kaputt oder extrem zerschlissen ist und wenn i.-iii. nicht funktioniert haben

Es liegt, denke ich, auf der Hand, warum wegwerfen für mich erst die letzte aller Optionen ist. Ich schätze einfach jeden Gegenstand und den Wert, den er besitzt. Zur Herstellung wurde viel Energie, Zeit, Aufwand und Ressourcen verwendet und mir ist es ein Anliegen, dass dies durch entsprechende Nutzung abgegolten wird. Viele Teile, die ich besitze, haben noch nicht einmal einen Bruchteil dieses Solls erfüllt und da erscheint mir wegwerfen einfach unlogisch, ja, gar respekt- und achtlos. Welcher Weg (i.-iii.) jeweils der beste und passendste ist, entscheide ich nach Gefühl und nach Wertigkeit und Zustand des Gegenstands.

Wenn man diese Schritte beherzigt, dann weiß ich aus Erfahrung, dass das Ausmisten zum einen gelingt und auch noch so richtig Befriedigung bringt. Weil man

  • dadurch nur noch Sachen besitzt, die man verwendet und die einem am Herzen liegen
  • sich von unnötigem Ballast befreit hat
  • einen anderen Menschen beschenkt hat oder günstig einen Gegenstand abgegeben hat, den dieser braucht
  • gegebenenfalls sogar noch etwas Kleingeld in die Kasse bekommen hat
  • etwas Gutes getan hat für die Umwelt, weil man seinen Ballast nicht nur einfach entsorgt hat

Hört sich doch lohnend an, oder nicht?
Ich habe auf jeden Fall Spaß daran. Und sicher, nicht alles läuft immer glatt; manchmal ärgert man sich auch über unverschämte Käufer, über auf dem Postweg verloren gegangene Sendungen (Tipp: schicke nie ohne Sendungsverfolgung!) oder einiges braucht einfach Geduld, bis das Teil den Besitzer wechselt. Dennoch, die Freude überwiegt, insbes. weil damit Geld zu machen, der geringste Ansporn ist.

Ergo: auszumisten und sich einen neuen Besitzanspruch anzueignen, ist daher Grundvoraussetzungen für ein minimalistisches Leben und Wohnen. Und insofern hat dieses Thema sehr viel mit meinem Mini-Haus zu tun.
In Sache Bauen gibt es leider wenig Neuigkeiten, weil die Freigabe des Kreisbauamtes für mein 2-stufiges Flachdach-Gebäude noch nicht vorliegt und die Kalkulation meines Wunschhauses noch etwas Zeit in Anspruch nimmt. Hier war Anfang Juli terminiert. Ich hoffe also, dass ich spätestens in 2 Wochen deutlich mehr zu berichten habe.

Meinen dazugehörigen Video-Beitrag findest du hier.
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