Saint-Côme-d’Olt – Estaing 23,4 km
Die Nacht war so lala, was nicht an äußeren Umständen liegt. Es ist eher ein Umherwälzen. Dabei weiß ich gar nicht, weshalb. Bett und Matratze scheinen ok zu sein und dennoch werkle ich mich die Nacht über rum, ohne wirklich in tiefen Schlaf zu fallen. Dennoch findet mein Körper die nötige Erholung.
Um 7 Uhr starten alle aus der Herberge mit dem Frühstück und gut 1 Stunde später stehen fast alle in den Startlöchern für den Tag.
Schon speziell: in der Herberge sind unabhängig voneinander eine Frau mit ihren beiden Enkelsöhnen und ein Ehepaar mit deren 4 Enkelkindern. Überhaupt sehe ich auf der Via Podiensis unglaublich viele Familien und Kinder. Das kenne ich sonst von keinem Land. Die Erwachsenen erzählen mir, dass sie so begeistert seien vom Pilgern, dass ihnen das sehr wichtig ist, dies ihren Enkelkindern nahezubringen. Den Kids scheint es tatsächlich zu gefallen, machen es beide Gruppierungen doch schon zum wiederholten Male. Großartig!
Ansonsten starte ich heute das erste Mal mit Regen-Poncho. Es nieselt, später regnet es richtig. Ich bin schnell durchweicht. Insbesondere in meinen Schuhen quietscht und schwabbert es schon nach gut 2 Stunden.
Der erste Etappenabschnitt von ca. 8 km bis nach Espalion ist ansonsten – trotz Berg dazwischen – gut zu gehen.
Richtig genießen kann ich die mittelalterliche Stadt kaum. Es regnet zwischenzeitlich richtig runter. Und ich bin tropfnass und möchte eigentlich irgendwo zur Pause einkehren. Das scheint allerdings gar nicht so einfach zu sein. Also gibt es nur etwas vom Bäcker, im Halbtrockenen sitzend. Der Poncho bleibt sicherheitshalber an.
Nach Espalion meisterte ich dann den zweiten Berg, der doch etwas anstrengender ist. Noch vor dem Anstieg denke ich, wie leicht sich mittlerweile Berge anfühlen. Klar treiben sie auch meinen Kreislauf an und den Herzschlag in die Höhe. Aber meinen Beinen und Füßen ist die Anstrengung tatsächlich herzlich egal. Weder spüre ich eine Ermüdung noch eine außergewöhnliche muskuläre Belastung. Sie machen einfach einen Schritt nach dem anderen. Egal ob nun geradeaus oder nach oben. Das denke ich noch, VOR dem Anstieg. Nur um dann während des Erklimmens irgendwann vor mich hinzufluchen, wann ich verdammt noch eins denn endlich oben bin…. Das sagt allerdings weniger mein Körper, als mein Geist.
Oben angelangt merke ich dann mehr und mehr meine Schuhe – vor allem rechts schabt das sich zwischenzeitlich auflösende Innenfutter an meiner Ferse. Ich beschließe: es müssen neue her.
Dieser Gedanke stößt dann allerdings eine Kette von Gedanken an, an deren Ende die Entscheidung steht: ich höre auf! Ja, es ist genug. Vielmehr das, was ich zu erlaufen hatte, ist erreicht. Ich möchte die Dinge nun angehen, die ich zum Teil schon so lange vor mir hergeschoben habe – aus Angst, aus Zweifeln, aus… was auch immer. Ich finde keinen Grund mehr, hier und jetzt weiterzulaufen. Meinem Körper wär‘s egal. Der ist nach mittlerweile 560,1 km und 24. Tagen auf dem Camino durchtrainiert. Aber Herz und Geist wollen nicht mehr bzw. haben nun andere Interessen. Ich habe mir die innere Zuversicht, das Selbstvertrauen und den Mut anerlaufen, die ich für meine nächsten Schritte im Leben brauche. Der Weg ist hiermit beendet.
Morgen fahre ich mit dem Bus nach Conques und beschließe dort offiziell meinen diesmaligen Camino. Irgendwann komme ich zurück und laufe die restlichen Kilometer. Vielleicht um ein zweites Mal den Camino francés zu laufen. Wer weiß….
Wie ich dann allerdings am besten von Conques nach Deutschland komme, muss ich noch eruieren. Ich bin hier nämlich wirklich in der französischen Pampa (nach eigener Aussage der Französin in der Touristen-Info 😉 )
