Lechbruck – Marktoberdorf
(26,2 km)
Die Nacht verläuft komplett anders als geplant. Ich verbringe sie nicht in Stefans AirBnB-Mehrbettunterkunft sondern in der Pension Elisa.
Was war passiert?
Zur eingeschränkten Kopffreiheit und mangelhafter Sauberkeit kam noch ein aggressiver, weil stark betrunkener Mitschläfer.
Als ich nach Abendessen und Relaxen an Lechs Uferpromenade in die Unterkunft zurückkehre, treffe ich neben der Bulgarin, mir der ich mich bei Ankunft schon unterhalten habe, Anne aus Augsburg an. Wir unterhalten uns kurz, als ein Mann in die Unterkunft kommt und sich auffällig verhält. Ich spüre im Nacken (er steht hinter mir und unterhält sich mit der Bulgarin) und durch die wenigen Gesprächsfetzen aus seinem Mund, dass er zu provozieren versucht. Und zwar Anne und mich. Letztlich drängt er sich in unser Gespräch. Anne steigt darauf ein und beginnt lauthals ein kurzes Streitgespräch. Ich räume das Feld und will mich Bettfertig machen, merke aber, so wird das nichts. Augenblicklich fühle ich mich weder wohl noch sicher. Ich rufe Stefan an und fordere ihn als Gastwirt auf, sich darum zu kümmern.
Stefan, ein per AirBnB ausgezeichneter Super-Host, also mit vielen Buchungen, kommt in die Unterkunft und will dem Störenfried die Leviten lesen und „dann sei der schon lammfromm“. Er wäre ja die ganze Woche schon hier und da hätte es keine Probleme gegeben. Auf meine Aussage, dass ich mich nicht sicher fühle und damit wohl kaum ruhig schlafen könnte und ich möchte, dass er ihm ein anderes Zimmer verschafft, meinte er, dann müsse ich halt gehen und woanders schlafen. Er wäre ausgebucht. Und obendrein – nachdem sich der angetrunkene Herr völlig ahnungslos stellt – kommt dann auch noch der Eindruck auf, dass Anne und ich übertreiben oder gar selbst die Ursache seien. Da ist’s vorbei mit Verständnis und dem Glauben, hier eine Lösung zu finden, und rufe bei der nächstgelegenen Pension an. Da ist es bereits 22:30 Uhr. Ich bete, dass jemand abnimmt und auch ein Zimmer frei ist. Ich habe Glück. Meine Sachen sind schnell gepackt. Fluchtartig verlasse ich die Unterkunft.
Neben all den wunderbaren Gastfreundlichkeiten, die ich bislang auf meinen Wegen erlebt habe, und dabei sicher auch mal nicht so tolle Übernachtungen, ist das mit Abstand die schlechteste Erfahrung. Insbesondere weil sie im Doppelpack daher kam: einem pöbelnden Mitschläfer und einem unmöglichen sowie unfähigen Gastwirt.
Wichtig als Fazit bleibt: ich habe sofort reagiert, Stefan angerufen, um eine Lösung gebeten. Und bei Ausbleiben dieser, selbst dafür gesorgt, dass ich mich wieder wohl und sicher fühle.
So hatte ich erneut ein Zimmer für mich alleine. Und die Türe sofort hinter mir abgeschlossen. Sicher ist sicher ?
Insofern war die Nacht dann doch noch gut.
Allerdings merke ich noch eine Zeit lang am Morgen, dass mich das Ereignis von gestern beschäftigt, bis ich es dann loslassen kann. Ich habe letztlich gut für mich und meine gefühlte Sicherheit gesorgt. Und das ist das Wichtigste.
Ansonsten liegt ein schöner Weg vor mir, mit unglaublich tollen Panorama-Aussichten. Die Fernsicht ist am Morgen noch gigantisch mit sehr klarer Sicht.
Doch umso heißer der Tag wird, steigt die Luftfeuchtigkeit und es wird diesig.
Um 12 Uhr habe ich den höchsten Punkt meiner heutigen Etappe erreicht: die Kirche St. Georg auf dem Auerberg auf 1.055 m.
Die Aussicht vom Turm der Kirche:
Der Aufstieg war anstrengend, verlief aber größtenteils im Schatten und durch die lauschige Feuerschlucht:
Nun liegen noch 16 km vor mir, die jedoch weitestgehend bergab und flach dahin gehen.
Die ziehen sich dann doch noch ordentlich dahin. Letztlich laufe ich sie in 4 Stunden. Es wird zunehmend drückend heiß und der Weg hält nicht so viel Schatten bereit, als mir lieb wäre.
Und als ich so in der prallen Sonne vor mich hinwandere, wünsche ich mir nichts sehnlicher als ein schattiges Bänkchen unter einem Baum herbei und daneben einen Brunnen. Dabei ertappe ich mich in einem Zwiegespräch mit mir selbst: Ja, wann kam das denn wirklich mal, so wie gewünscht? Meist sehe ich Brunnen und schattige Bänke, wenn ich sie gerade nicht brauche. Also träum‘ weiter, Katja. Ich habe den Gedanken noch nicht vollendet – et voilà: im nächsten Ort gibt’s einen Brunnen. Zwar nicht im Schatten, aber so genau nehme ich es jetzt nicht. Hauptsache kühles Nass☺️
Und mein Tuch wird auch noch ordentlich getränkt und verschafft mir auch die nächsten 30-40 Min des Weges Abkühlung.
Kleinere Wälder spenden notwendigen, wenn auch kurzen Schatten.
Und dann nähere ich mich Marktoberdorf, standesgemäß durch die Kurfürstenallee – frisch gekrönte Königinnen sollten auf jeden Fall so einmarschieren. Naja, mein Gang ähnelt nicht mehr einem königlichen Marsch, eher einem schlürfenden Gang. Egal. Hauptsache mein heutiges Ziel ist erreicht.
Die Kurfürstenallee.
Marktoberdorfs Kirche St. Martin.
Und heute nächtige ich im viel gelobten Pilgerquartier von Elfie. Leider ist sie und ihr Mann über das Wochenende verreist, so dass ich Hospitaleras Ute und ihre Freundin antreffe, die für die Zeit sich um die Pilger kümmern. Beide herzenslieb heißen sie mich freundlich willkommen, so dass ich mich auf Anhieb wohlfühle.
Ute erzählt mir beim Rundgang durch das Haus, dass Elfie und ihr Mann beide um die 70 sind, selbst passionierte Pilger, und explizit das Haus hier gekauft haben, weil sie eine Pilgerunterkunft etablieren wollten. Alles ist wohnlich und liebevoll gestaltet. Man merkt, dass hier Pilgerherzen schlagen. Es geht nicht um Geld, sondern darum, etwas weiterzugeben. Das spürt man. Ich zahle 19 Euro für die Übernachtung, das Frühstück sei gratis.
Elfies Pilgerquartier:
Das sind mal Preise! Elfie meint es gut mit uns.
Das verspricht ein schöner Tagesausklang zu werden☺️