Laredo – Langre
(ca. 38 km)
Nach einer guten Nacht im 5-Bettzimmer der Herberge „El buen Pastor“ in Laredo sind um 7 Uhr bereits alle zugange, ihren Rucksack zu packen. Alle? Nein, natürlich nicht alle. Alle, außer mir. Die anderen 4 sind so achtsam und lassen das Licht im Raum aus. Eine kleine Stirnlampe dient als Leuchtmittel. Dennoch werde ich wach, schlicht, weil ich die Unruhe im Raum merke und ja, auch weil ich ausgeschlafen bin.
Also bin auch ich kaum 45 Minuten später wieder on the road. Die nächsten gut 5 Kilometer führen mich dabei an Laredos Strand entlang. Und dabei bemerke ich, dass ich dem Ort in meinem gestrigen Eintrag unrecht getan habe: die meisten Gebäude am Strand sind keine Hotels. Um ehrlich zu sein, sehe ich bis zum Schluss nur ein einziges. Es sind nahezu ausschließlich Appartement-Häuser. Das macht es nun nicht unbedingt hübscher, verwundert bin ich dennoch, dass die beste Lage der Stadt nicht mit Hotels, Cafés und Restaurants zugekleistert ist.
Um diese Uhrzeit ist außer Jogger, Hunde-Gassi-Geher und Pilger sowieso niemand unterwegs. Das erlaubt mir ruhiges Flanieren und in den Tag starten:
Laredos Strandpromenade.
Ungewöhnlich für einen Stadtstrand: Dünen.
Anstehen für die Fährübersetzung von Laredo nach Santoña.
Auch noch nie gesehen: das Boot hält direkt am Sandstrand.
Neben wunderschönen Streckenabschnitten durch Gebüsch und über Dünen ist heute wieder sehr viel Asphaltbelag zu erlaufen. Das Wetter ist dabei mit fortschreitendem Tag bewölkt und nieselig.
Ständige Wegoptionen machen mir die Entscheidung schwer. Alleine aus Laredo herauszupilgern, gibt es ca. 5 verschiedene Wegkombinationen.
Oft sind die Alternativen nicht gut ausgeschildert, was mir in einem Fall mindestens 1 Kilometer extra einbringt. Aber was ist schon 1 Kilometer bei knapp 40…?
Einfacher und mir lieber wäre genau ein Weg. Punkt aus basta. Follow the arrows. Nix zu denken. Hirn ausschalten, stupide den Pfeilen folgen. Aber nein. So läuft das auf dem Camino del norte nicht. Hier bist du gefragt: hättest du gerne eine besonders schöne Tour, an den Klippen entlang, oder lieber durch Dörfchen? Oder vielleicht doch lieber die schnelle, kurze Variante? Mit viel oder wenig Einkehrmöglichkeiten? Die Originalroute? Oder doch lieber die von irgendwelchen Pilgerfreunden (der Region?) empfohlen? Und klar ist auch: irgendeinen „Tod musst du sterben“. Keine Route bietet alles: schöne Landschaft, mit Meerblick, tolle Wege, auf torfigem Boden – schön angenehm für die Gelenke -, mit vielen Einkehrmöglichkeiten und dann auch noch die kürzeste zu sein. Nein, so läuft das hier nicht. Also: was ist dir wichtig und was willst du? Boa, mit so viel überlegen und in mich reinfühlen, was ich eigentlich will, habe ich nicht gerechnet. Und dann auch mit der getroffenen Entscheidung gut leben können und sich nicht in Gedanken verstricken, ob die andere Wahl vielleicht nicht doch besser gewesen wäre. Ganz schön anstrengend.
Das Gleiche gilt beim Übernachten. Allerdings bin ich darin schon geübt. Da geht’s zumeist nach Gefühl: will ich hier bleiben? Ja, nein? Oder verlangt es mir sogar nach einem privaten Zimmer, ganz für mich? Heute habe ich das spontan bei meiner verspäteten Mittagspause in Güemes entschieden. Eigentlich habe ich die dortige Herberge angesteuert, bin aber auch hier die ungünstige Route gelaufen – da war es wieder: überall Alternativen – und hätte einen Kilometer Umweg laufen müssen, schon wieder. Und morgen wieder zurück. Und irgendwas wehrte sich da in mir. Ich glaube nicht einmal, dass es die 2 Extra-Kilometer waren; vielleicht die Aussicht auf eine – wenn auch legendäre – Pilgerherberge der Superlative: sie fasst bis zu 70 Pilger. Oder wollte ich den heute immer wieder begegneten Pilgern entgehen? Ja, wahrscheinlich verlangte es mir tatsächlich einfach nur nach Alleinesein.
Was auch immer es war, ich entschied mich also beim Mittagessen um 15:30 Uhr für eine Pension in Langre. Also nochmals 8 Kilometer mehr gehen. Was soll’s, seit ich mich in Irún auf den Weg gemacht habe, schere ich mich während des Tages herzlich wenig um Kilometer. Ich setze einfach einen Fuß vor den anderen.
Mein habitación privada.
Stilvoll hochgelegt ?