Artieda – Sanguësa
(ca. 33 km)
Das Fazit des heutigen Tages gleich mal vorneweg:
Müde! In meinem Körper steckt Müdigkeit. Und ich darf mir gerade offenbar das Thema Akzeptanz anschauen, also, mein Bedürfnis danach, so angenommen zu werden, wie ich bin und Respekt davor, dass ich für mich entscheide, was ich für mich für richtig halte.
Aber mal langsam und ganz von vorne.
Die Nacht war mal wieder durchwachsen und das, obwohl ich ein Zimmer für mich hatte. Es ist nach wie vor dasselbe Thema: ich schlafe unruhig und habe zu lange Wachphasen während der Nacht. Heute Morgen schlafe ich dann doch noch mal gut ein – allerdings begleitet von einem merkwürdigen Traum – und stehe dann erst um 8:30 Uhr auf.
Zügig bin ich fertig und um 9:10 Uhr wieder unterwegs.
Der Weg gestaltet sich heute an manchen Stellen widerborstig. Ein Anstieg zieht sich über 6 km. Etwas beschwerlich in der prallen Sonne und mit kleinen, mich umkreisenden Fliegen. Diese schwirren mir so nah vorm Gesicht umher, dass ich befürchte, eine davon mal einzuatmen, oder schlimmstenfalls gleich alle auf einmal. Na ja, dann hätte ich auch gegessen ?
Vor dieser Anstrengung frühstücke ich in Ruesta, einem verfallenen Dorf, in dem es nur eine Pilgerherberge gibt. Dort mache ich allerdings nur kurz Halt. Denn die kurz vor bzw. nach mir eintreffenden drei Pilger kenne ich schon von meiner letzten Herberge und sind mir nicht sonderlich sympathisch. Der Deutsche, Peter, ist ziemlich muffig, Astrid beachtet einen kaum und Julian aus Madrid fordert mich zum wiederholten Male auf (gestern Abend auch schon), mehr Spanisch zu sprechen (oder ausschließlich) – so könnte ich die Gelegenheit nutzen, es zu verbessern. Wie „fürsorglich“! Auf mich wirkt es eher belehrend. Mein Spanisch reicht für das Minimalste und dafür nutze ich es. Wenn eine Unterhaltung stattfinden soll, reicht es nicht und ich habe auch gar keine Lust, mich damit abzumühen… so werde ich wortkarg und überlasse den Dreien sich selbst. Ist mir ohnehin lieber. Dennoch, merkwürdig finde ich es schon: Julian spricht mich an und verwickelt mich in ein Gespräch und ist dann nicht zufrieden über die Wahl der Sprache Englisch als einzigen, gemeinsamen Nenner. Nun denn, so soll er es halt lassen.
Zugegeben, diese Vehemenz seiner Aufforderung, mein Spanisch zu nutzen (er fragte mich ganz Lehrer – vielleicht ist er es ja ? -, welche Worte mir im Spanischen fehlen und ich wissen will), geht mir mächtig auf den Senkel.
Und passt zum aktuellen Konflikt mit einer Freundin, mit der es derzeit ähnliche Themen gibt. Zumindest empfinde ich das so. Da bekomme ich unterschwellig und offensichtlich Sätze zu hören, die suggerieren, dass meine Art, den Camino zu gehen, nicht korrekt sei bzw. was an meiner Weise (z.B. einen Blog zu schreiben) verstörend wirkt. Wieder ein schönes Thema, das ich mir genauer anschauen darf. Denn, dass es mich triggert, liegt ja im Wesentlichen an mir. Und gleichzeitig will ich Grenzen setzen. Eine gewisse Übergriffigkeit sehe ich in beiden Fällen doch.
Und Müdigkeit hilft bei derartigen Gedanken und Situationen auch nicht gerade. Deshalb halte ich dann halt mal zur Abwechslung lieber meinen Mund und entziehe mich weiteren Diskussionen.
Die Müdigkeit ist nicht mal so sehr auf meine Beine bezogen. Die laufen – fast wie von alleine. Ich bin per se träge. Ich denke, es ist die Kombination aus viel Bewegung, einer Menge frischer Luft, die intensive Sonneneinstrahlung und der nicht ausreichend erholsame Schlaf.
Um 18 Uhr trudle ich in Sanguësa ein. Die Pilgerherberge ist verschlossen ? Ein Anruf klärt’s: die sehr aufgeweckte und freundliche Herbergsmutter steht 10 Min später da und gewährt Einlass. Die Herberge wird grundsätzlich abgeschlossen, weil sie nur auf Abruf kommt. Beim Verlassen der Herberge für Einkäufe oder Essen muss ein Schlüssel vom Bord mitgenommen werden. Sonst kommt man nicht mehr rein. Mit mir ist nur noch Franco da, der Italiener, den ich aus der Herberge von Santa Cilia de Jaca bereits kenne. Kurze Zeit später kommt noch ein Radl-Pilger. So teilen wir uns, wie es aussieht, den Schlafsaal mit insgesamt 12 Betten zu dritt.
Die Herberge in Artieda in der Morgensonne.
Toller Ausblick von Artieda über das Aragón-Tal.
Zum Glück geht’s auch mal durch den Wald.
Die Ruinen von Ruesta.
Sanfter, aber stetiger Anstieg über lange 6 km.
Oben empfängt mich Heidelandschaft und erneut schöne Ausblicke.
Der Markierungsstein links im Bild zeigt den Regionenübergang von Aragón zu Navarra an.
Erneut lang gezogene Wege – in der prallen Sonne. Bald bin ich so knusprig, wie ein Grillhenderl ☺️
Camino-Romantik.
Der Zielort naht; welch‘ ein Pilgerglück…