Pamplona – Madrid – München (Heimreise per Flugzeug)
Mein Flug ab Pamplona geht erst in gut 2 Stunden. Ich bin früh am Flughafen. Genug Zeit also für ein Frühstück und das Erlaufene Revue passieren zu lassen.
Da ich in den vergangenen Tagen nun schon mehrfach darauf angesprochen wurde, ob der Eindruck täusche oder dieser Camino für mich anstrengender und härter war als die beiden davor, möchte ich hierzu ein paar Worte verlieren:
Jeder der bereits von mir begangenen Wege war auf seine Weise anspruchsvoll und hatte seine Herausforderungen. Sei es auf dem Camino Francés, z.B. in brütender Hitze kilometerlang über die Meseta mit ihren staubtrockenen und ewig flachen Landschaften zu gehen. Oder sei es auf dem Camino Primitivo, lange Distanzen zwischen den Herbergen zu bewältigen und dabei 10 Kilometer einen Bergkamm bei starkem Wind und Schneetreiben zu überqueren. So wartete der Camino Aragonés ebenfalls mit längeren Entfernungen, mit unwegsamen Gelände, matschigen Wegen und wechselhaftem Wetter auf.
Und allen ist die Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen, inneren Dämonen gemein.
Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass ich dieses Mal andere Verhaltensweisen an den Tag gelegt habe als sonst (Bus zu fahren, ein Taxi zu nehmen, einen leichteren Weg als den beschriebenen zu gehen….). Normalerweise verfolge ich ehrgeizige Ziele und bin „hart im Nehmen“. Was ist also dieses Mal anders? Bin ich vielleicht körperlich wie geistig nicht 100% auf der Höhe? Oder bin ich einfach sanfter, zarter und sensibler und wahre deshalb schneller meine Grenzen bzw. ziehe zwischenzeitlich entspanntere Lebensarten vor? Mit Gewissheit kann ich es nicht beantworten, tendiere allerdings zu Letzterem. Denn, ich fühle mich körperlich und mental genauso wenn nicht sogar leistungsfähiger als sonst. Aber das kann täuschen. Sicher ist auf jeden Fall, dass ich seit geraumer Zeit mehr und mehr Leichtigkeit in mein Leben integriere und Dinge nicht mehr tue, die ich oft aus falschem Stolz und Ehrgeiz, mir und anderen etwas zu beweisen, gemacht habe.
Was auch immer der Grund meiner geänderten Pilgerweise sein mag, auf jeden Fall bin ich total zufrieden, wie es im wahrsten Sinne des Wortes dieses Mal gegangen ist?
Und so kommt bei Abreise nach Pilgern eines Caminos immer sehr viel Wehmut über mich. Das Erlaufen von Wegstrecken, das Verbundensein mit der Natur und vor allem mit mir selbst, der Minimalismus, mit wenig auszukommen und das alles auf dem Rücken zu tragen, das allabendliche Ankommen, das morgendliche Aufbrechen ins Unbekannte, keine Pläne zu haben außer zu laufen und neugierig darauf und offen zu sein, was der Tag bringt, beschert mir ein unglaubliches Freiheitsgefühl und eine Ausgeglichenheit, wie kaum etwas anderes. Und gleichzeitig gibt es auch Freude auf Zuhause, auf mein ganz eigenes Reich, mein Bett, meine Sauberkeit und darauf, meine Schuhe und Kleidung wieder ordentlich zu waschen und vor allem mal zu wechseln. Zugegeben, beide Teile sind in mir, dennoch überwiegt klar der erste. Ich könnte mir auch gut vorstellen, nur für einen kurzen Stop-Over nach Hause zu kommen, Wäsche und Schuhe zu wechseln und weitergeht’s. So gesehen absolut klarer Fall: ich bin süchtig nach pilgern☺️
Hab‘ mein Herz verloren….?
An der Stelle möchte ich gerne ein Resümee ziehen, wie sich die drei Caminos, die ich bis dato gegangen bin, für mich darstellten:
Camino Francés: hier ist entschieden mehr los, egal zu welcher Zeit, die Anzahl der Pilger auf diesem Weg ist bedeutend höher als auf den anderen Wegen. Die Spuren und Zeichen der Pilger sind dafür hier ebenfalls mehr sichtbar. Der Weg ist gesäumt von Sprüchen, Lebensweisheiten, Grüßen anderer Pilger, Steinmanderl, persönlichen Hinterlassenschaften und Andenken. Der Spirit ist hier daher mehr spürbar. Die Nettigkeiten in Form von Obstständen und Getränken auf Spendenbasis der Spanier am Wegesrand sind ebenfalls häufiger vorzufinden. Die Abstände zwischen den Herbergen und Ortschaften sind kürzer und daher für jeden Geschmack, ob kurze oder lange Distanzen bevorzugt werden, variierbar. Fazit: wer den Trubel nicht scheut oder gar die Pilgergemeinschaft sucht und sich vom Geiste vorangegangener Pilger anstecken lassen möchte, ist hier genau richtig.
Camino Primitivo: wer es beschaulicher und ursprünglicher mag und lange Distanzen (!) nicht scheut und gar Abwechslung im Auf und Ab sucht, der wird hier fündig. Man ist hier auf dem Weg öfter alleine unterwegs, trifft sich meist aber abends wieder, da auch die Herbergen rarer gesät sind. Es ist vor allem ein Weg durch die Natur, da zumeist keine Ortschaften passiert werden und wenn, dann kleine Weiler aus 2-5 Häusern bestehend. Fazit: wer Natur sucht und etwas Anstrengung nicht scheut und gerne alleine ist, ist hier richtig aufgehoben.
Camino Aragonés: aus meiner Sicht der ursprünglichste der drei Wege. Stellenweise sehr überwuchert und bewachsen, die Beschilderung öfters kaum zu sehen, manchmal gar nicht vorhanden. Dafür wird man belohnt mit grandiosen Aussichten, wunderschönen Landschaften und altertümlichen Ortschaften, manche sehr gut erhalten, manche verlassen und zu Ruinen verfallen. Es ist also für das Auge viel geboten. Die wenigsten sprechen hier Englisch; ein bisschen Spanisch ist also von Vorteil. Allerdings bedarf der Weg einiger Ausdauer. Auch hier gibt es zum Teil lange Strecken zu bewältigen, Strecken um die 25-30 km sollte man also nicht scheuen. Und dabei ist man fast ausschließlich alleine unterwegs. Hier ist die Pilgerzahl am geringsten, was diesen Weg zu einen meiner Favoriten macht, wobei ich jedem der Wege etwas abgewinnen kann, eben aufgrund des jeweilig Besonderen. Fazit: wer die Einsamkeit sucht, Natur und historische Ortschaften mag, längere Strecken zu gehen bereit ist, ist hier sehr gut beraten.
Vielleicht hilft dies, noch unentschlossenen Pilgern ihre Wahl zu treffen. Sicher ist für mich dabei auf jeden Fall: egal, welchen Weg du gehst, es wird genau der Richtige sein ?
In diesem Sinne: Buen camino y ultreia!