21.09.17 – 4. Tag

von Katja Härle

21. September 2017

Pamplona – Muruzábal
(ca. 19 km)

Der Tag startet weniger gut. Am meisten Zeit brauche ich morgens, um meine Füße zu verarzten und zu tapen. So komme ich nach über einer Stunde fertig machen für den Tag und packen auch erst um 8:30 Uhr los.


Für den Tag bereit!

Meine kleinen Zehen schmerzen höllisch. Jeder Schritt ist eine Qual. Nachdem ich Pamplona verlassen habe, entschließe ich mich, die Tapes von meinen Zehen zu reißen und mit den Trekkingsandalen weiterzulaufen. Letztlich hat das gestern Abend durch Pamplona ganz gut geklappt. Eine Wohltat. Plötzlich gehts viel leichter. So bin ich wieder frohen Mutes. 

Heute ist es wieder sehr sonnig und warm. Aber es lässt sich gut wandern.

Kurz vorm höchsten Punkt meiner heutigen Reise hebt mir jemand den Rucksack und schiebt mich voran, so dass es leichter den Berg hochgeht. Der nette ältere Spanier geht mit mir ein Stück des Weges und spricht nur Spanisch aber durchaus gut verständlich. Als wir über das Thema sprechen, wieso ich alleine laufe, will er plötzlich und völlig ohne dass ich das hätte vorherahnen können einen Kuss von mir. Ich stutze und denke, ich habe mich verhört. Er wiederholt und meinte, es passiere ja nichts, wenn ich ihn nur auf die Wange küsse. Ich sage nein. Natürlich, was sonst. Der Kerl ist etwa Mitte 60 oder noch älter. Er spricht noch etwas weiter, ich beharre auf nein, sage irgendwann gar nichts mehr. Da lässt er plötzlich mit einem „buen camino“ von mir ab und düst davon. Scheint dies wohl öfter zu machen, denn er sagte  mir noch davor, dass er jede Woche den Weg 4-mal läuft und in Puente la Reina wohnt, meinem erst angedachten heutigen Ziel.
Auch wenn er nicht gefährlich sondern nur – naja, wie soll ich’s sagen – bedürftig und suchend erschien, nehme ich mir dennoch vor, von Marcos (so nannte er sich) heute Abend dem Herbergsvater/-mutter zu erzählen.

Der Blick kurze Zeit später vom höchsten Punkt meiner Etappe entschädigt mich dann allerdings für alles:

Die Wege sind heute weitgehend Schotter und Geröll, daher oft nicht einfach zu gehen. Vor dem Aussichtspunkt habe ich auch wieder meine Bergschuhe angezogen, da zwischenzeitlich mein rechtes Sprunggelenk bzw. mein Knöchel sich deutlich bemerkbar macht. Mit den orthopädischen Einlegesohlen gehts einfach deutlich besser. Es ist doch schon verrückt: meine Zehen fühlen sich schmerzfreier an ohne allem. Nur gut eingecremt in den Socken ist der Schmerz gut auszuhalten.

Gegen 13:30 Uhr erreiche ich Muruzábal. Ein Schild weist auf eine Herberge hin. Nach langem Hin und Her und Überlegungen vor und zurück, entscheide ich es heute hiermit zu beschließen und hier zu übernachten. Der von Pilger-Karl wärmstens empfohlene Umweg über Eunate würde hier starten, macht aber nur Sinn zwischen 10:30 und 13 Uhr, denn da ist die Kirche, die es dort zu besichtigen gilt, offen.

Also stecke ich wenig später meine heißgelaufenen und geschundenen Füße in den hauseigenen Pool der sehr ruhig gelegenen Pilgerherberge „El Jardín de Muruzábal“.


So lässt sich der Tag gut beschließen.

Eine kurze Radlfahrt zum Kirchlein von Eunate lässt erkennen, dass weder der Weg dorthin noch das Kirchlein selbst mich morgen bis 10:30 Uhr warten lassen noch den Weg zu Fuß hierher bringen werden. Die Strecke ist staubig und landschaftlich wenig interessant, das alte Gemäuer – tatsächlich gibt es außer der Kirche nichts dort – ist sicher schön, aber so brennend interessiert es mich nicht, dass ich morgen zur Öffnungszeit wieder hier sein muss. Ich lass es ausfallen. Und wiedermal bin ich nachträglich froh, wie es gekommen ist: hätte ich mich zu Fuß aufgemacht, wäre ich vermutlich enttäuscht gewesen.

Also werde ich morgen direkt und ohne Umweg nach Puente la Reina und weiterlaufen. Wie weit, wird sich zeigen…

Ach ja, Alicia, meiner netten wie hübschen Herbergsmutter erzähle ich das dann tatsächlich mit Marcos. Sie ist sichtlich schockiert und telefoniert gleich im Anschluss in der Weltgeschichte rum: erst Polizei und dann mit einer Freundin, die auf dem Bergkamm, den ich kurz nach dem „Zusammentreffen“ mit ihm passiert hatte, einen Verkaufsstand hat. Sie kennt ihn. Er scheint wohl die Masche auch bei ihr mehrfach versucht zu haben und ist offenbar genau das, wofür ich ihn gehalten habe: allein, auf der Suche nach „Gesellschaft“, ansonsten aber harmlos.

Und damit schließe ich für heute nach einem wiedermal unglaublich üppigen und guten Pilgermenü und leg‘ mich mit ca. 12 anderen Pilgern schlafen.

Schön ist, dass ich „mein“ Viererabteil im Schlafsaal mit Romana (von der 3. Nacht) und Isi (eigentlich Isabella – kenne ich seit gestern Abend aus Pamplona) teile. Man trifft sich halt immer wieder auf dem camino?



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