Nach all den Wegen…

Nach 13 Jakobswegen, über 4000 erwanderten Kilometern, unzähligen Hochs und Tiefs – was bleibt am Ende?

Ein Tag am Meer.

Am Atlantik wollte ich meinen großen Jakobsweg beenden. Im Grunde so wie ich ihn einst begann. Nun ist es vollbracht und ich kann sagen, dass ich einmal von der Haustüre über Santiago zum Atlantik, nach Finisterre, dem Ende der Welt gelaufen bin. Zig Tausend Kilometer später. Da stellt sich doch nochmals abschließend die Frage „wozu das alles?“.

Weshalb laufen so viele nach Santiago?

Für mich war und ist es, meine Richtung (wieder) zu finden, mich zu besInnen, nach innen zu lauschen, sich selbst und vielmehr noch dem Weg, dem Leben zuzuhören. Woher kommen denn all die Gedanken, Einsichten und Erkenntnisse? Wenn ich genau hinschaue, sehe ich, dass ich diese wichtigen Wegweiser nicht selbst erzeuge. Die steigen irgendwo aus der Tiefe einfach auf. Oder sind plötzlich in mir – woher auch immer sie kommen. Manche mögen es Gottes Führung nennen. Andere bezeichnen es als Bauchgefühl, Intuition und belassen es dabei. Egal wie man es nennen mag, wir haben diese Wegweiser und Erkenntnisse auch im Alltag. Der ist unglücklicherweise allerdings meist so überfrachtet, dass wir diese Fingerzeige des Lebens oft nicht mitkriegen. Zu schnell sind sie vorbei, ohne dass wir sie auch nur bemerkt hätten.

Der Jakobsweg – oder letztlich jede andere Art der gemächlicheren Lebensweise – eröffnet uns die notwendige Stille im Äußeren, um das eigene Innere wieder wahrzunehmen.

Da unsere Welt zwischenzeitlich so laut, hektisch und voll geworden ist, wir überladen werden von News, neuen Erkenntnissen aus Wissenschaft und Lifestyle und leider auch von viel zu viel Nonsense (im wahrsten Wortsinne), verlieren wir immer mehr unsere Richtung. Innehalten, nachspüren, das Erlebte und Erfahrene verarbeiten – dafür reicht weder unser Schlaf noch nehmen wir uns die Zeit dafür, wenn wir wach sind.

Ich denke also, nicht nur mir sondern vielen verlangt es ganz intuitiv oder eben nicht selten nach einschneidenden Ereignissen nach innerer Einkehr, um die eigene Führung wieder zu spüren: worum geht’s mir im Leben? Was ist wichtig? Was will ich? Und was will ich nicht?

Für mich war es nach meinem Burnout ein großes Bedürfnis, mich selbst besser zu verstehen, meinen Weg zu finden – genauer gesagt meinen inneren Kompass wieder zu entdecken.

Das brauchte Zeit. Das brauchte viele Stunden mit mir alleine, mit Therapeuten und Coaches, einen ganzen Strauß an Selbsterfahrungsseminaren und Ausbildungen. Vieles musste ich mir selbst erarbeiten bzw. besser gesagt erlaufen. Für anderes wiederum brauchte ich den Spiegel von außen.

Es braucht Zeit, Geduld und Disziplin – Dranbleiben, Milde und Empathie mit mir selbst. Es ist nicht immer leicht, sich ins Gesicht zu schauen, die eignen Schatten und Schwächen einzugestehen und sie vor allem dann auch lieb zu gewinnen. Letztlich liegt allen eine bzw. mehrere Verletzungen, Enttäuschungen und prägende Erfahrungen zugrunde.

Ist also nach all meinen Wegen und Seminaren etc. pp. die Reise wirklich zu Ende?

Natürlich nicht. Die Reise endet erst mit dem Tod und vermutlich nicht einmal damit.

Ob allerdings zu all meinen noch kommenden Schritten nochmals Pilgern zählen wird, weiß ich nicht. Ideen habe ich schon dazu, aber noch keine Pläne. Das wird sich zeigen. Flexibel bleiben und nicht zu weit im Voraus planen…. Ein gutes Fazit, oder nicht?

Und der Abschluss könnte daher nicht passender sein: diesen letzten Blogbeitrag schreibe ich zu Ende, während wir auf den ADAC-Pannenservice, besser gesagt auf den Abschleppdienst warten. Beim letzten Bergle (es war im Vergleich zu allen Bergen, die wir mit Hannybal in den letzten Wochen hoch und runter gefahren sind, wirklich nur ein Hügel) ruckelt der Motor plötzlich, weißer Rauch qualmt hinten aus dem Auspuff. Ein paar hundert Meter weiter in einer Parkbucht halten wir und sehen, dass Hanny Flüssigkeit verliert. Vermutlich Kühlwasser und Öl. Das sieht nicht gut aus.

Ja, Pläne sind gut, weil sie uns ausrichten. Aber der Weg gestaltet sich meist dann ganz anders als gedacht und nicht selten anders als gewünscht. Flexibel bleiben, nicht festhängen, nicht hadern, dass es anders kommt, Hindernisse und Stolpersteine gehören dazu. Da heißt es dann, sich auf die neue Situation einlassen, dann die nächsten, jetzt erforderlichen Schritte tun, nicht weiter denken, auf Sicht fahren.
Pläne sind also gut, um unsere Schritte auszurichten, um uns die Richtung zu zeigen und dann gilt es Schritt für Schritt zu gehen und in jedem Moment überprüfen: passt die Richtung noch? Hat sich was Neues ergeben? Und dann nachjustieren. Noch nie habe ich bislang den ADAC in Anspruch genommen. Tja, heute ist es mein erstes Mal. Ein erstes Mal, dass ich mir gerne erspart hätte. Aber wer fragt mich schon?

 

Die Übersicht über meine Jakobswege.

 

 

 

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