28.09.2023 Alken – Treis-Karden 21,5 km
Mein Tag beginnt heute viel zu spät. Ich verquassle mich beim Frühstück mit meiner Herbergsmutter. Frau Eppelsheimer weiß über ihre 10-jährige Erfahrung mit Pilgern viel zu erzählen. Und ich höre gerne zu. Zu gerne, wie ich tagsüber feststellen muss. Ich habe die heutige Etappe unterschätzt bzw. meinen Energiehaushalt überschätzt. Wohl eher Letzteres. Dieser schwächelt nämlich schon die letzten Tag ordentlich. Meine Beine sind muskulär und stark. Ich merke, dass mein Training – das diesjährige, viele Caminolaufen – Wirkung zeigt. Klingt widersprüchlich? Ist es wahrscheinlich auch. Irgendwie fühle ich mich seit Tagen dizzy, schummerig und energieloser als sonst. Keine Ahnung wieso.
Am Morgen kommen noch Atemschwierigkeiten dazu. Das kenne ich schon seit meiner Jugend: das Gefühl, „nicht über den Berg zu kommen“, hier metaphorisch gemeint. Wenn ich einatme, kommt es mir so vor, als ob ich nicht genug Luft fassen könnte. Das Atmen ist nicht zufriedenstellend, eben nicht ausreichend. Anders kann ich es nicht erklären. Wer das auch schon mal erlebt hat, weiß, was ich meine.
So komme ich heute öfter an meine Grenzen, spüre sie, erkenne sie an (weil ich mich nicht antreibe und nicht in Widerstand gehe) und entsprechend darauf reagiere (indem ich zum Beispiel öfter Stehen bleibe und längere Pausen mache).
Was ich da so leichtfertig hinschreibe, war für mich zumindest noch vor kurzem überhaupt nicht einfach. Vor allem innerlich nicht dagegen zu sein. Grenzen, ob physische oder mentale, waren für mich Shopstopper, also so hatte ich das nicht geplant. Innerlich brach dann schon mal ein kleiner Krieg aus, wenn mein Körper nicht so mitmachte, wie ich mir das vorstellte.
Und trotzdem erkenne ich auch mentale Grenzen. Immer wieder steigt Stress hoch, weil es spät wird – viel später als gedacht. Klar, nachdem ich erst um nach 10 Uhr gestartet bin, zieht sich das durch den Tag, eben weil mich die Auf- und Abstiege und das reine Gehen mehr anstrengen als gewöhnlich. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie unterschiedlich jeder Tag und die körperliche Verfassung sein kann, damit Plänen einen Strich durch die Rechnung machen können und wie zäh die Reaktion des Verstandes oft darauf ist.
Dennoch habe ich mir eine lange Mittagspause gegönnt und ca 1,5 Stunden in der Burg Eltz verbracht. Und 18 Uhr als Ankunftszeit liegt absolut im Rahmen. Trotz allem mir selbst gut Zureden habe ich vor morgen tatsächlich etwas Bammel. Mit 28 Kilometer soll die nächste Etappe mein längster Schlag werden auf diesem Camino. Ob ich das schaffe? Und ob ich auch morgen mit meinen Grenzen so gut jonglieren kann oder den Bus oder ein Taxi als Joker ziehen muss? Wir werden sehen….