17.07.23 – Via Gebennensis 9. Tag

von Katja Härle

17. Juli 2023

Charavines – La Côte-Saint-André 28,6 km

Die Internetprobleme haben sich gelegt, die Müdigkeit von gestern habe ich rausgeschlafen; dann darf sich jetzt noch das Übernachtungsdebakel legen, dann wäre alles perfekt. Aber ey, wir leben ja nicht in einer perfekten Welt 😉

Ich habe im bequemen Hotelbett gut geschlafen und genieße es, erst um kurz nach 6:30 Uhr aufzustehen. „Erst“ – ich muss lachen. 6:30 Uhr ist sonst für mich mega-früh. Auch bei meinen anderen Jakobswegen war ich selten vor 8-8:30 Uhr unterwegs. Naja, die Hitze macht’s oder ich komm ins Alter der senilen Bettflucht. Wer weiß. Die 3 Pilgermädels schlafen noch. Mit der 72-Jährigen teile ich das Zimmer, sie verabschiedet mich kurz und schlummert weiter. Ich bin um 7:30 Uhr wieder on the road.

Anfangs begleitet mich perfektes Wanderwetter: kühle 19-20 Grad, bewölkt und mit leichter Brise. So überwinde ich die ersten, eher hügeligen 10 Kilometer zügig. Ab Mittag reißt die Wolkendecke wieder auf und lässt schnell die Temperaturen auf knapp 30 Grad steigen. Der Weg ist nun deutlich ebener – durch viel Asphalt und ansonsten gerölligen, schwer begehbaren Wegen in voller Sonne aber auch nicht weniger anstrengend.

Egal. Ich hab Zeit. Mache Pausen und bekomme heute noch Aufmunterungen, die ich eigentlich gestern erbeten und gebraucht hätte. So erfüllen sie auch jetzt ihren Zweck und pushen mich voran. Danke für all die liebe Nachrichten, Worte und sogar selbstgesungenen Songs 😉 Großartig! Danach laufe ich summend, singenden und schon um ein Vielfaches leichter über den Weg.

Ansonsten gehen mir heute eher schwerere Themen durch den Kopf. Zum Beispiel erneut das Thema Erwartungen (wer, wie schnell meinem Aufruf von Aufmunterungsworten folgt und Ähnliches). Und was es mit dem ewigen Durst nach Anerkennung auf sich hat. Diesen Ausdruck hat mir vor kurzem jemand gesagt, als wir über meine Geschichte und meinen Burnout sprachen. Sie nannte einen Burnout ein Zeichen oder Symptom des unstillbaren Durstes nach Anerkennung. Da hat sie – zumindest bei mir – den Nagel voll auf den Kopf getroffen. Und nur weil ich mein berufliches Umfeld völlig geändert habe, ist dieser Durst ja nicht plötzlich gestillt. Der drückt sich nun im Wunsch aus, viele mögen meinen Blog lesen, meine Posts liken, überhaupt gut finden, was ich schreibe. Also mache ich es nicht nur für mich – das Ganze hier. Und nicht nur für den ein oder die andere, die meine Worte inspirieren. Pah. So selbstlos bin ich nicht. Nur, Durst nach Anerkennung? Ja, eigentlich ein ganz normales Bedürfnis. Und trotzdem fühlt sich die Einsicht gerade sehr schal an. Um nicht zu sagen: I don‘t like and I am ashamed about it! Und das, obwohl ich damit nur ausspreche, was wohl sehr viele Posters und Bloggers auf sämtlichen social media Kanälen mit mir gemein haben dürften… Trotzdem bitter.

Der Tag beginnt bedeckt
Der Weg zum Teil urwaldähnlich bewachsen
Die Sonnenblumenfelder blühen langsam auf
Um 10:15 Uhr am höchsten Punkt der heutigen Etappe
Und wieder schöne Aussichten
Links schöner Weg – rechts Jakobsweg
Der Abstieg wird sehr anstrengend: der Weg gleicht eher einem ausgetrockneten Bachbett
Frühstück- und Mittagspause
Die Sonne brennt wieder runter
Links Weitblick, rechts Felder – der Weg am Nachmittag
Ankunft in La Côte-Saint-André kurz vor 16:30 Uhr
Meine heutige Unterkunft: Hotel de l‘Europe – für 55 Euro die bestimmt Schlechtestes des bisherigen Jakobswegs

Danach folgt das übliche Ankommensritual: alles ausziehen, auswaschen, aufhängen, duschen, Füße hoch und dabei… neeeeein, nicht Blog-Schreiben wie gewöhnlich, neee, Unterkunft für morgen suchen. Au man. Dieses Mal sieht es aus, als hätte ich Glück. Die ersten beiden Anrufe gleich mal nix: beide zwischenzeitlich geschlossen (krass, oder?). Dann erreiche ich einen Herrn, der mir ein Bett mit Halbpension für 50 Euro anbietet. Ich sage zu und ein paar Minuten später wieder ab, weil: ich finde kurz danach etwas so Putziges (im Internet!!), dass ich dort anrufe und das beste Telefonat auf Französisch habe, das man sich als nicht französisch-sprechenden Menschen vorstellen kann. Der Herr am anderen Ende der Leitung ist so gewitzt und clever, mir alles mit einfachen Sätzen und Worten (auf Französisch wohlgemerkt) begreiflich und verständlich zu machen. Und ich spreche sogar auch. Zwar eher einen wilden Mix aus Französisch-Deutsch-Englisch, aber es klappt. Und dabei reden wir weit mehr als das Nötigste. Man könnte sagen, wir flirten ein bisschen 😉 Nett. Und er bietet mir ein Bett im Gemeinschaftsschlafsaal mit Halbpension für 40 Euro. Und es gibt wohl einen Pool. Mal sehen, was ich morgen dann wirklich vorfinde und was ich nur alles falsch verstanden habe *hahaha* Mit mir ist wohl nur noch Ruth, eine andere Pilgerin angemeldet, die ich bislang nur von ihren Eintragungen in den Kirchenbüchern kenne. Habe mich schon gefragt, wo sich denn diese 4-5 anderen Pilger, die ich da seit 2 Tagen lese, rumtreiben. Tagsüber bin ich meist allein auf weiter Flur. Morgen ändert sich das vielleicht. Ich bin gespannt.

Ach, und Fred, mein Gastgeber von morgen, fragt mich noch, wo ich denn heute untergekommen bin. Auf meine Antwort „im Hotel de l‘Europe“ meint er nur „oh, mon dieu“. Da hat er recht *lach*

Etappe 9



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