Reibung erzeugt Wärme

von Katja Härle

3. Juni 2025

03.06.2025 – Lectoure nach Condom 27,4 km

 

Vielleicht schwitze ich heute deshalb so viel 😅 Weil viel Reibung da ist.

Denn ich reibe mich ganz schön: an anderen Menschen, das heißt an ihren Haltungen mir gegenüber, wie sie mich sehen, an ihren Meinungen auf mich und auf andere Dinge bezogen.
Heute reibe ich mich vor allem am Weg, am Matsch, an der Schwüle, den kleinen, um mich herum schwirrenden Fliegen. Ich reibe mich an dem, dass alles an mir klebt. Und ich reibe mich an meinen Erwartungen und meinen Vorstellungen – z.B. dass der letzte Abschnitt meiner großen Pilgerreise sich vielleicht anders anfühlen müsste.

Ich reibe mich am Leben.

Und wenn Reibung Wärme erzeugt, müsste es mir eigentlich im Leben ständig warm sein🤪 In gewisser Weise stimmt das auch: ich kann ganz schön hitzköpfig und impulsiv sein. Selbst wenn ich es vielleicht nach außen nicht immer zeige, so brodelt es dann doch manchmal ganz schön heftig in mir. Ich habe halt einen kleinen Vulkan in mir, der gelernt hat, nicht mehr auszubrechen😇😂

Tja, und nicht immer ist das mit dem Unterdrücken der Eruption eine gute Idee. 🌋

Vielleicht spricht jetzt gerade eher die halbe Flasche Bier aus mir (oh man, die halbe Flasche – ich vertrag einfach nichts mehr), denn am liebsten würde ich schreiben: ich reibe mich an euch LeserInnen. Ich habe gerade gar keinen Bock, Seelenstriptease zu machen, vor euch. Wisst ihr es denn zu schätzen? Oder wisst ihr es einfach besser? Wie ich besser schreiben sollte, was besser nicht, wie ich pilgern sollte, oder was kein Pilgern ist. Und das Beste: die wenigsten oder eigentlich niemand von euch, hat je so viele Wege gemacht wie ich geschweige denn nur einen. Und außerdem keine/r von euch steckt in meiner Haut. Seid ihr halt mal nur für einen Tag auf dem Jakobsweg ich. 🧙‍♀️ Na, da könntet ihr was erleben.

Ach du Schreck. Ich sehe gerade, das Bier hat 8% – oho, was hat Frank mir da aus dem Supermarkt mitgebracht? Ein Wahrheitsserum, wie mir scheint. Vielleicht besser, wenn ich jetzt aufhöre, nicht dass ich noch beleidigend werde.

Jetzt ist es eh schon egal, oder?
Zumindest platzt das gerade so aus mir raus. Die 8% helfen ganz schön nach, das merke ich; ich glaube, sonst würde ich mich wahrscheinlich zensieren.

Das Interessante ist: Jede/r weiß, wie erniedrigend das ist, bewertet und beurteilt zu werden. Und jede/r (oder zumindest alle, die das lesen 😜) machen es selbst – inkl. derjenigen, die das schreibt. Umso wichtiger, mich davon frei zu machen – also vom Bewerten und von dem, dass es mich kümmert, was andere über mich denken. Das Dumme daran ist nur, dass der schlimmste Bewerter in mir selbst sitzt. Wie wird man den denn los?

Eines ist klar: so schnell lässt sich der nicht abschütteln – schließlich versuche ich es schon seit einigen Jahren. Aber er klebt mir, wie so manche lästige Fliege heute, ganz schön an meinen Hacken.

Auf jeden Fall komme ich mit dem ganzen Matsch an meinen Füßen nochmals richtig krass mit der Seite in mir in Kontakt, die sich einfach nicht anstrengen will, die ’schnell aus der Bahn fährt, wenn die Schienen nicht geradeaus gehen‘. Wenn etwas nicht nach Plan verläuft, wenn ich merke, dass mich etwas von meiner Richtung abbringt – eine Unterbrechung, eine Herausforderung, eine Komplikation (wie eben Matsch auf’m Weg) – dann bin ich gestresst, genervt, angestrengt. Ich kenne meine Grenzen ziemlich genau. Das kann ich euch sagen. Allerdings kann ich auch sagen, dass ich nicht zufrieden bin damit, wie schnell diese oftmals erreicht sind (ich sage nur ein halbes Bier und ich bin besüffelt wie ein Teenie).

Ich mache mich los: Lectoure um 9:30 Uhr

Hübsche Weggaben anderer Pilger

Der ältere Herr im Bild ist doch genau wie man sich einen Franzosen vorstellt – inkl. des Baguettes.

Ihr findet die Bilder und Wege bestimmt lauschig, gell.

Jaja.

Das auch?

Bin heute tatsächlich froh über jeden Teerweg – wie sich doch die Perspektive ändert.

Jipiiiie

Noch mehr Jipiiie

Naja, jetzt ist’s eh scho Wurscht…

Mittagspause

Die ham auch Pause.

Condom liegt vor mir.

Die Stadt der Musketiere

Da! Die imposante Eingangstür zur Cathédrale Saint-Pierre de Condom

Hinter der Kathedrale kärcherte eine nette Dame die Steinplatten – und meine Wanderschuhe 👍🏻

Etappe 13 – irgendwie sehr nach Westen statt nach Südwesten gegangen.

Tja, der Jakobsweg geht selten direkt aufs Ziel zu… Warum wohl? 🤔

 

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