In dieser Episode erwartet euch eine Premiere: Mein erster Interview-Gast ist Sabina Brunner, Kampagnenmanagerin bei einem süddeutschen Energieversorger. Sie berichtet von ihrem Burnout und wie sie dadurch einen Zugang zu sich gefunden hat. Ganz wesentlich hat ihr dabei die GFK (Gewaltfreie Kommunikation) geholfen. Heute kann sie sich dadurch viel besser spüren und vor allem Grenzen setzen, die Gehör finden. Lass Dich von ihren Erfahrungen inspirieren. Viel Spaß beim Lauschen!
Wenn Du lieber liest, statt Dir die Audio anzuhören, dann findest Du hier die vollständigen Shownotes:
Heute mit einem Interview.
Mein Gast ist Sabina Brunner, 52 Jahre jung. Sie ist Kampagnenmanagerin bei einem süddeutschen Energieversorger und sagt von sich selbst, dass sie durch ihren Burnout einen Zugang zu sich, ihren Gefühlen und Bedürfnissen gefunden hat.
Ein ganz herzliches Hallo an dich, liebe Sabina.
Hallo Katja, grüß dich.
Ich freue mich sehr auf das Interview mit dir und zugleich merke ich, ich bin ganz schön aufgeregt, weil das ist nämlich eine Premiere. Eine Premiere auf diesem Podcast-Kanal einen Interview-Gast zu begrüßen und ich freue mich total, dass es mit dir stattfindet, weil tatsächlich kennen wir uns schon seit acht Jahren und haben uns kennengelernt im Rahmen unseres jeweiligen Reha-Aufenthalts, indem wir unseren Burnout verarbeitet haben.
Und zweitens sind wir – und das freut mich ganz besonders – auch sehr gut befreundet.
Magst du mal davon erzählen, wie du den deinen Burnout erlebt hast, wie so die Zeit quasi vor deinem Reha-Aufenthalt war und auch die Zeit in der Klinik?
Ja, gerne.
Also erst mal muss ich vorweg schieben oder möchte ich vorweg schieben, dass ich auch ganz schön aufgeregt bin, weil in der Tat ist das auch mein erster Podcast und ja, ich freue mich total drauf und danke, dass du mir diese Ehre gibst. Ich freue mich.
Ja, wie habe ich meinen Burnout erlebt? Bzw. was war in der Zeit vorher los?
In der Zeit vorher war vor allem Wahnsinns-Stress im Job.
Da gab es schon die ein oder anderen Anzeichen, die ich aber alle nicht wahrgenommen habe bzw. ich nicht wahrnehmen wollte und weggedrückt habe.
Da war so eine Situation, dass ich an einem Freitagabend von der Arbeit nach Hause gefahren bin mit der U-Bahn damals und plötzlich sind einfach die Tränen gerollt und ich wusste eigentlich gar nicht, was ist denn das jetzt?
Und ich habe das weggedrückt, wie immer. Ich hatte vorher immer wieder Kopfschmerzen. Und das ist alles immer schön weggedrückt worden oder mit Tabletten irgendwie behandelt worden von mir selber, weil ich ja funktionieren wollte.
Also das war mir ja ganz wichtig, also nicht ausfallen, sondern immer schön perfekt funktionieren.
Das war, glaube ich, so das Grundübel des Ganzen.
Dazu kam noch, dass meine Oma damals gesundheitlich, also die war schon über 90, Pflege gebraucht hat.
Ich habe die Einkäufe organisiert und hatte auch die Vollmachten und auch das war irgendwie dann schon eine Belastung.
Meine Mama hat das zwar schon auch mitgemacht, war aber selber gesundheitlich angeschlagen und irgendwie das ganze Sammelsurium, glaube ich, das war dann irgendwann einfach so viel und an besagten Tag im November 2015, für mir kam das so, als wenn ein Mann kommt, der mir mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen hat und dann ging irgendwie nichts mehr, also ich habe nur geweint und wusste gar nicht, was ist denn eigentlich da jetzt los?
Okay, du wusstest also gar nicht, wieso du weinen musstest oder was dich da quasi dazu veranlasst hat zu weinen, war dir nicht klar?
Ja, es war schon klar. Da hat sich einfach, glaube ich, so ein Druck entladen, also das war einfach alles zu viel, ich habe gedacht, ich schaff das jetzt im Job vor allem nicht mehr und hatte damals auch einen Vorgesetzten, mit dem ich nicht wirklich zurecht gekommen bin.
Und auch die äußeren Rahmenumstände in der Arbeit, dass ich keine Wertschätzung und keinen Rückhalt gespürt habe, waren einfach schwierig.
Okay, also bei dir war das quasi ein Moment X, also ein Tag, wo sich dann alles gefühlt zugespitzt hat und sich dann so richtig entladen musste in dir durch dieses Weinen.
Und das Schlimme war eigentlich für mich, dass ich das überhaupt nicht steuern konnte, also ich konnte dann nicht sagen so jetzt, wie mir ja das früher durchaus gelungen ist, so jetzt mal stopp, jetzt reiß dich mal wieder zusammen und mach mal weiter mit allem und so, sondern da ging einfach nichts mehr.
Also wegdrücken ging dann nicht mehr, dann musste es einfach raus.
Okay.
Und wie ging es dann für dich weiter?
Das war ja dann auch noch ein bisschen Zeit hin, bist du dann in Reha gekommen bist, was hat sich zwischenzeitlich dann getan?
Also getan hat sich, dass ich von einer Freundin, mit der ich mich eigentlich an dem Abend treffen wollte, die dann natürlich erst mal völlig schockiert war, was mit mir denn eigentlich los ist. Ich bin da trotzdem noch hingefahren, weil ich gar nicht in der Lage gewesen wäre zu telefonieren. Wir haben uns kurz vorher noch per WhatsApp abgestimmt, wann wir und wo wir uns treffen. Und dann dachte ich mir noch, das schaut jetzt total bescheuert aus, wenn ich jetzt quasi sage, ich komm jetzt doch nicht, wollte ihr also nicht schreiben und anrufen konnte ich nicht. Und so bin ich zu dem Treffpunkt auch hingefahren, Tränen überströmt, wie ich war.
Meine Freundin war natürlich erstmal ganz entsetzt, die wusste ja gar nicht, was passiert ist ja, und fragte, was ist denn los? Bis ich das dann rausgebracht habe, ich wusste ja selber nicht, was los ist, außer dass mir einfach alles viel zu viel geworden ist.
Sie hat dann meinen damaligen Partner angerufen. Wir haben dann in München in der U-Bahn-Station irgendwo Übergabe gemacht, quasi sie hat mich ihm dann übergeben und der war natürlich auch überfordert, der hat mich ja vorher noch nie so gesehen.
Ich war immer die starke, die alles gewuppt hat und so weiter.
Und der ist dann mit mir direkt zur Hausärztin gefahren und auch da konnte ich die Tränen nicht stoppen, hab ihr das alles erzählt oder versucht zu erzählen, was jetzt da gerade los ist. Die Ärztin hat dann gehört „Arbeit“ und hat dann gemeint, ich werde jetzt erstmal rausgenommen aus dieser Situation, und hat mich arbeitsunfähig geschrieben und meinte noch, ich muss mir keine Gedanken machen. Das bleibt jetzt erst mal, so lange wie ich das meine zu brauchen und das war dann auf der einen Seite eine wahnsinnige Erleichterung.
Auf der anderen Seite kam sehr schnell ein echt krass schlechtes Gewissen, weil es war eine super stressige Phase in der Arbeit und das Gefühl, so ich lasse die jetzt alle im Stich.
Das hat mir gar nicht gefallen. Ich habe aber auch gemerkt, dass es anders nicht gehen würde. Sprich ich musste jetzt wirklich diesen Schritt gehen. Das war mir ziemlich schnell klar, dass jetzt ein Stopp passieren muss.
Genau, dann war ich also erstmal krankgeschrieben. Ich bin dann Anfang 2016 kurz, also ein paar wenige Tage, doch wieder ins Büro gegangen. Allerdings auch tatsächlich nur deswegen, weil ich wusste, ich habe danach Urlaub, das war schon gebucht und im Urlaub habe ich dann erfahren, dass ich diesen Klinikaufenthalt antreten kann und war dann einfach echt total erleichtert.
Ja und da ging dann irgendwann, ich glaube im Februar 2016 bin ich dann in die Klinik gekommen und so blöd wie sich das anhört, ich war erst mal nur total froh, dass ich aus allem jetzt wegkomme, dass ich jetzt Zeit für mich habe, mich um nichts kümmern muss, außer um mich darf ich mich kümmern und so blöd wie sich das anhört:
Ich fand es mit so die beste Zeit meines Lebens, weil ich wahnsinnig viel gelernt habe über mich.
Also das war wirklich die Zeit für mich. Ich habe wieder Sport gemacht, Meditationstechniken gelernt und mich halt mit mir auseinandergesetzt. Letztlich kommt das ja dann doch irgendwie von früher alles und das war einfach sinnvoll und notwendig und ich bin heute total dankbar, dass es – auch wenn es eine schlimme Zeit war – so gekommen ist, wie es gekommen ist, weil, jetzt ist zwar auch nicht alles immer Friede, Freude, Eierkuchen, also das ganz sicher nicht, aber ich bin so auf dem richtigen Weg und das spüre ich und das ist schön.
Das klingt ja schon nach einer auch sehr aufreibenden Zeit. Du hast beschrieben, dass du erst mal selbst gar nicht wusstest, was jetzt los ist, also du das auch nicht stoppen konntest und dann auch dein Umfeld völlig hilflos war und gleichzeitig dein damaliger Partner im Grunde intuitiv das Richtige getan hat und dich erst mal zu einer – wie ich es verstanden habe – auch wirklich guten Hausärztin gebracht hat, die dann gleich erkannt hat, okay, hier braucht es wirklich mal eine Pause und offenbar hast du die dir dann auch wirklich genommen, wie du schon sagst. Dann du gemerkt hast, es geht jetzt nicht mehr anders.
Und auf der anderen Seite waren auch immer noch diese Gedanken da – ich fasse es jetzt mal in die Worte zusammen – darf ich das überhaupt, darf ich das meinen Kollegen antun, jetzt gerade in dieser Zeit mich wirklich rausnehmen und gleichzeitig war einfach so ein ganz großes Wissen da von wegen, es geht jetzt nicht mehr anders, jetzt geht es und muss es um mich gehen.
Würdest du das so zusammenfassen?
Genau, so ist es gewesen.
Okay und du meintest dann ja auch die Zeit in der Reha war, wenn ich es jetzt richtig verstanden habe, wie so ein Punkt des Umdenkens, oder?
Wieder wahrzunehmen, was ist denn da eigentlich in mir los?
Wobei ich vielleicht noch eine Sache ergänzen möchte: das war tatsächlich keine Reha, sondern das war ein Aufenthalt als Akutpatientin und zwar – ich glaube damals hatte ich einfach echt wahnsinnig viel Glück – hat die Hausärztin gemeint, ich soll auf jeden Fall ein Facharzt aufsuchen. Auch damals war es schon schwierig irgendwie Psychiatertermine zu bekommen.
Ich bin dann ehrlich gesagt aus der Hausarztpraxis, Tränen überströmt wie ich war, zu einer neurologischen, psychologischen Praxis gegangen, die gleich um die Ecke war und die waren dann natürlich auch erst mal so, oh, was ist denn da los? Und haben mich tatsächlich dabehalten und dann hat erst mal ein Neurologe mit mir gesprochen, der dann gemeint hat, ich müsste zum Psychiater, der in der gleichen Praxis ansässig ist, aber jetzt gerade keinen Termin hat. Aber dadurch war ich in dieser Mühle schon mal drin und habe viel, viel schneller einen Termin bekommen, als wenn ich da einfach nur so angerufen hätte, mich vielleicht auch irgendwie zusammengerissen hätte und auch wieder die Starke gespielt hätte und so ging das relativ schnell. Und ich habe dann auch relativ schnell versucht, eine Therapie anzufangen, war ja dann kurz vor Weihnachten, war alles auch gar nicht so einfach und hatte dann aber trotzdem das Glück, auch wieder zu einer Therapeutin zu kommen, die ehrlich gesagt mir nicht so sympathisch war, die mir aber einen wichtigen Hinweis gegeben hat, nämlich:
Frau Brunner, sie brauchen jetzt sofort Hilfe!
Weil ich ihr erzählt habe, wir haben eine Reha beantragt und dann hat sie gemeint, wissen Sie wie lange es mit einer Reha dauert? Monate! Und sie brauchen jetzt Hilfe und Sie gehen jetzt wieder zu ihrem Facharzt und sagen, er soll das umschreiben auf einen Akut-Klinikaufenthalt. Das waren ja alles völlig neue Begriffe für mich, also ich war völlig überfordert, aber das war wirklich ein sehr guter und wertvoller Hinweis. Das habe ich dann auch gemacht und dadurch kam eben diese andere Maschinerie in Gang und deswegen ging das dann auch relativ schnell mit diesem Akut-Klinikaufenthalt, der jetzt gar kein großer Unterschied ist, glaube ich, zu einer Reha, außer dass man Einzeltermine bei einer Psychologin hat, glaube ich, oder sonst gibt es halt weniger und es halt schneller geht. Ja, vor allem halt schneller, also bei einer Reha hätte ich Monate warten müssen und jetzt bei der Akut-Klinikaufenthalt waren das jetzt eher wenigere Wochen, ich glaube, drei Wochen oder so.
Ah, okay, das ist fantastisch zu wissen, dass es da zum einen eine Unterscheidung gibt, ich denke auch für die Zuhörenden ist es wichtig zu erfahren, wenn man wirklich so akut in die Krise reinrutscht – leider kommen wir nicht immer an die besten Ärzte, die das erkennen und uns dann entsprechend auch die Möglichkeiten aufzeigen – und so ist es gut zu wissen, dass es diese Möglichkeit gibt, sich schnell wirklich helfen zu lassen und bei einer Akut-Klinik steckt es ja auch schon im Name drin, also Akut, das ist jetzt notwendig und eben nicht erst in Monaten und oft heißt es eben halt auch, Therapieplätze erst nach Monaten antreten zu können.
Also insofern ist es gut, das zu wissen, wobei das jetzt auch schon ein Weilchen her ist, und ich nicht weiß, wie die heutige Situation ist, aber für dich hat es zumindest gut funktioniert.
Vielleicht nochmal ganz kurz einen Schritt zurück: du hast erzählt, dass quasi in der Zeit, wo dann ja letztendlich dieser Tag X war, viel in deinem Leben war, es war viel in der Arbeit los, mit deiner Oma hattest du viel zu tun, gab es denn letztlich auch schon Jahre vorher immer wieder Anzeichen, wo du sagst, eigentlich hat mir da schon mein Körper oder mein Geist, meine Psyche mir Hinweise gegeben, die ich erst im Nachgang verstanden habe?
Die waren definitiv da, ja!
Also ich hatte wirklich mit Migräne zu tun, immer wieder wahnsinnig starke Kopfschmerzen, wo ich einfach nicht rausgefunden habe, an was liegt es denn eigentlich?
Da habe ich viel gemacht, beim Schröpfen gewesen, beim Heilpraktiker gewesen, beim Zahnarzt, der mir meine ganzen Amalgamfüllungen durch Kunststofffüllungen ersetzt hat und ich habe da auch wirklich viel Zeit und auch Geld investiert in der Hoffnung, dass es irgendwie besser wird.
Außerdem hatte ich Rückenschmerzen zum Beispiel, also immer wieder mit Hexenschutz oder Bandscheibenvorwölbungen und immer wieder Schmerzen. Aber das habe ich nie darauf bezogen, sondern das war immer unangenehm. Kopfschmerzen, Migräne, dann eben eine Tablette genommen, wenn ich sie früh genug genommen habe, dann hat die auch manchmal geholfen. Und ja, da waren auch Widerstände, also quasi ich will das nicht.
Auch negative Gefühle, also traurig sein oder so, neeee, ich wollte das alles nicht. Und irgendwie habe ich das, glaube ich, weggedrückt, damit ich funktionieren kann.
Ja, das heißt aber, die Rückenschmerzen und die Migräne, trotz all dem, was du jetzt beschrieben hast, was du gemacht hast, kamen trotzdem immer wieder?
Ja, die waren immer wieder da, ja.
Okay, und wie hat sich das jetzt entwickelt? Also, geht es dir jetzt besser?
Hast du einen klaren Zusammenhang erkennen können, weil es jetzt eben deutlich weniger geworden ist oder kannst du vielleicht sogar heute erkennen, wenn Migräne wieder da ist, alles klar, gestern oder die letzte Woche war es auch sehr stressig oder wie kommst du zu dieser Idee, dass es tatsächlich damit zusammenhängt?
Genau so wie du beschrieben hast, also die Erfahrungen, die ich jetzt gemacht habe, es ist deutlich weniger geworden, sowohl die Kopfschmerzen, Migräne als auch Rückenschmerzen, deutlich weniger und und wenn sie mal da sind, dann wenn ich ehrlich bin zu mir und überlege, was war denn jetzt eigentlich so, dann lässt sich das schon auch immer auf irgendwas zurückführen und eben so, dass das eine psychosomatische Auswirkung ist. Und natürlich gibt es auch Wetterfühligkeit im Süden von Bayern oder von Deutschland, da haben wir ja gerne den Föhn und da bin ich schon auch ein bisschen anfällig, muss ich sagen, aber es überwiegt dann doch das andere.
Okay, also du erkennst deutlich da einen psychischen Zusammenhang, das heißt, wenn du viel Stress hast und den vielleicht auch nicht reduziert bekommst, dann zeigt sich das unter Umständen in solchen Dingen wie Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen?
Also ich stell halt dann auch immer wieder fest, wenn dann so Stressphasen sind, wie schwierig das ist, dass ich mich an die eigene Nase pack und eben regelmäßig trinke zum Beispiel, oder auch esse, dass ich das nicht einfach vergesse und meine Pausen auch mache. Das ist dann schon ab und zu auch so, wo ich mir denke: Das muss ich jetzt noch fertig machen und dann fällt die Mittagspause aus. Und das rächt sich halt in der Regel auch ziemlich schnell.
Es gelingt mir aber immer besser, darum sage ich, ich bin auf dem Weg.
Es wird alles besser und so habe ich zum Beispiel dann auch angefangen, regelmäßig walken zu gehen. Da stelle ich einfach fest, gerade wenn ich das in der Mittagspause mache, also ich arbeite viel im Homeoffice oder kann im Homeoffice arbeiten, wie gut das ist, dann mittags wirklich eine Stunde lang mich draußen an der frischen Luft zu bewegen, die Augen können mal wieder ins Weite schauen, ich kriege frische Luft, bewege mich, höre vielleicht auch den einen oder anderen Podcast, je nachdem wie ich drauf bin, gerne psychologische Podcast, wo ich ja insgesamt gerne dazu lerne oder auch einfach wirklich lustige Podcast, wo ich einfach dann den Kopf auch mal frei kriege. Also merke ich, wie mir das gut tut.
Okay, das heißt, was würdest du sagen, was hat sich denn im Wesentlichen durch deine Burnout-Erfahrung geändert und was machst du heute anders?
Weil wenn ich es richtig weiß, bist du ja nach wie vor Kampagnenmanagerin bei einem und demselben Arbeitgeber. Das heißt, du hast eigentlich das äußere Umfeld erstmal, könnte man sagen nicht verändert, aber was hast du denn dann jetzt verändert oder was machst du anders?
Also verändert hat sich der Chef und die Rahmenbedingungen. Mit meinem jetzigen Chef bin ich tatsächlich sehr, sehr zufrieden und er auch mit mir, also da gibt es diese Anerkennung und Wertschätzung, was mir einfach ein gutes Gefühl von Sicherheit gibt.
Das ist mal das eine und das andere, dass ich halt durch den Burnout und durch alles, was ich in den Kliniken gelernt habe und Bücher gelesen habe und so weiter, mich mit mir beschäftigt habe, jetzt einen viel besseren Zugang zu meinen Gefühlen und Bedürfnissen habe und dadurch merke ich halt auch viel früher, dass jetzt vielleicht irgendwas in die falsche Richtung läuft oder kann dann auf die Suche gehen, an was liegt das denn jetzt und bin dann tatsächlich auch viel besser und früher in der Lage, das auch anzusprechen.
Also gerade im Job, wenn mir irgendwas zu viel wird, dann sage ich viel früher ganz deutlich, so jetzt ist irgendwie ein Punkt erreicht, da wird es mir zu viel und da wird auch drauf gehört, zum Glück.
Und was mir dabei sehr geholfen hat, das ist übrigens die gewaltfreie Kommunikation. Das habe ich damals auch in der Klinik kennengelernt, habe dann mal ein Wochenend-Seminar gemacht, dann sogar eine Jahresausbildung und da geht es ja viel um Gefühle und Bedürfnisse. Und das ist für mich damals auch einer der AHA-Effekte gewesen, dass es eine wahnsinnige Gefühlspalette gibt. Also früher, wenn ich gefragt worden bin, wie es mir geht. Ja, das ist mir halt eingefallen gut oder schlecht und schlecht wollte ich schon gar nicht sagen, weil das will ja keiner hören.
Wie viele Gefühle es gibt und das jetzt auch viel besser benennen zu können, macht irgendwie auch Spaß, also da auf Entdeckungsreise zu gehen und sich besser kennen zu lernen.
Ja, total. Und hinter jedem Gefühl steckt ja letztendlich ein Bedürfnis. Wenn wir dann verstehen und erkennen, wie du es vorher schon beschrieben hast, also die unangenehmen Gefühle, also die, die wir nicht so leicht annehmen können, denen sich trotzdem mit einer Haltung zuzuwenden: „okay, du bist jetzt da, ich gebe dir den Raum.“ Auch diese Gefühle geben uns ganz signifikante Informationen darüber, was gerade vielleicht im Mangel ist, was gerade schief läuft, was gerade fehlt, was wir unbedingt brauchen.
Wenn ich es richtig verstanden habe, dann passiert es dir heute auch noch, dass du in stressig Situationen kommst und dass du es vielleicht auch mal für ein, zwei Tage oder vielleicht sogar mal für mehrere Tage aus den Augen verlierst, aber es ist relativ schnell ein Bewusstsein da: Ich habe jetzt wieder zu wenig Pausen gemacht, mir zu wenig Pausen gegönnt und deswegen fühle ich mich jetzt gerade so gestresst.
Kannst du das vielleicht kurz beschreiben: wie erlebst du das, dass dann irgendwann so ein Art Klick stattfindet und so eine Wachsamkeit da ist zu merken, was da gerade passiert?
Das kann ich sogar ziemlich genau beschreiben, weil leider muss ich sagen, im Oktober 2022 dann noch mal so ein kleiner Zusammenbruch gekommen ist.
Da bin ich dann eben doch wieder über meine Grenzen gegangen.
Hab das zwar schon auch ausgesprochen, aber wir hatten dann eine große Kampagne, diese habe ich vorbereiten müssen und ja, da gab es dann eben kurz vor knapp noch heftige Änderungen und irgendwie habe ich das alles noch hingebracht, aber dann kam tatsächlich leider wieder der Moment, wo ich wirklich zusammengebrochen bin, wieder diese Weinkrämpfe hatte, die ich auch wieder nicht stoppen konnte und dann wusste ich aber schon, was ich jetzt machen muss und bin dann wieder zum Arzt, bin raus aus der Situation, also arbeitsunfähig geschrieben worden.
Das schlechte Gewissen war auch noch da, aber nicht mehr so krass wie beim ersten Mal.
Da hat dann eher überwogen so dieses Gefühl, hey Mann, jetzt habe ich so viel gelernt und habe ja auch schon so viel geändert, warum passiert mir das jetzt, bitte schön, wieder. Ich habe es überhaupt nicht verstanden und mich wirklich geärgert.
Mittlerweile sehe ich so, dass das auch dazu gehört: man geht zwei Schritte vor und dann aber auch mal wieder einen Schritt zurück.
Auch wenn es mir vielleicht nicht immer gefällt, aber ich glaube, das gehört dazu und die Richtung stimmt. Ich habe dann noch mal eine Reha beantragt. Da wusste ich, jetzt brauche ich keinen Akut-Klinikaufenthalt, habe also eine Reha beantragt und die ist dann überraschenderweise auch ziemlich schnell genehmigt worden. So war ich dann letztes Jahr, im Mai-Juni noch mal auf Reha. Und das ist auch wirklich eine schöne Zeit gewesen, weil vieles habe ich natürlich schon gehört, aber ich glaube, man kann das gar nicht oft genug hören und einfach diese geschenkte Zeit für mich persönlich, also man muss sich um nichts kümmern und wiederholt oder frischt ganz viel auf. Und man knüpft auch die ein oder anderen neuen Kontakte und das ist was ganz, ganz Wertvolles.
Ja, letztendlich ist es ja auch so, wie der eine oder andere auch mal eine Kur in Anspruch nimmt für Rücken oder was auch immer für körperliche Beschwerden, die wir ja auch auf Grund des langen Sitzens oft von unserem Berufsalltag mitnehmen. Und in sofern ist es einfach mal, wenn man das so sehen mag, ganz gut, sich alle x Jahre auch so eine, sage ich mal, mentale Auszeit bzw. eine Art Auffrischung zu gönnen von dem, was man schon alles gelernt hat und sich vielleicht nochmal auf einer ganz anderen tieferen Ebene festigen darf.
Genau! Also ich für mich weiß, dass ich das regelmäßig beantragen werde, weil es mir einfach gut tut und danach wieder die Akkus vollgeladen sind.
Ich weiß noch, während des Akut-Klinikaufenthalts, da war ein Mann in der Gesprächstherapiegruppe dabei, der hat dann damals gesagt, er war jetzt hier ein paar Wochen in dieser Klinik und jetzt sind seine Akkus wieder aufgeladen und jetzt fährt er nach Hause und macht da weiter, wo er vorher aufgehört hat. Und ich weiß noch, wie mich das echt so dermaßen hochgeschossen hat, wie ich dann an der Reihe war, habe ich gemeint, also ich sei hier nicht um meine Akkus aufzuladen, ich will nicht so den Reset-Knopf drücken und dann geht es weiter, wo ich vorher aufgehört habe. Nein, ganz sicher nicht.
Ich will dazu lernen und will ja bewusst was ändern und natürlich sollen die Akkus aufgeladen werden, aber einfach so weitermachen wie vorher, nein, ganz sicher nicht.
Und das, wie gesagt, tu ich auch nicht. Doch mittlerweile so im Laufe der Zeit kann ich seine Aussage ein bisschen anders betrachten und mehr annehmen, aber damals hat es mich total hochgeschossen, das wollte ich ganz sicher nicht.
Ja, vielleicht ist es halt genau das, dass es kein Schwarz oder Weiß ist, sondern eher so eine Mischform, dass wir einfach lernen, dass es auch ein Weg ist.
Du hast vorher auch von einem Weg gesprochen, den du Schritt für Schritt gehst und auch von Rückschritten, also dass es auch ganz normal ist, dass wir unser geprägtes Programm umschreiben und das ist nicht von heute auf morgen geschehen. Wir werden auch schnell wieder vielleicht in Verhaltensmuster fallen, die wir dann erst wieder merken, wenn es zu viel war. Und so ist es halt immer wieder ein Hinspüren und Hinschauen und leider ist vieles immer noch im Unbewussten, also das „sich-bewusst-machen“ braucht manchmal auch tatsächlich – eine Freundin nennt es – den Entwicklungsschmerz, dass wir merken: oh, jetzt reibt es irgendwo wieder, da möchte ich nochmal genauer hinschauen.
Wie würdest du denn das sagen oder zusammenfassen, was genau hat bei dir den Burnout letztendlich überhaupt verursacht?
Also was würdest du für dich selber sagen hast du erkannt und verstanden, dass dich überhaupt so weit in die Erschöpfung brachte?
Dass ich mich selber nicht gespürt habe, glaube ich, dass ich jahrelang über meine Grenzen hinweggegangen bin, dass ich Gefühle nicht wahrgenommen habe.
Wie gesagt, damals wusste ich nur, mir geht es gut oder schlecht, ja, mehr war da eigentlich nicht zwischendrin, und dass ich meine Gefühle schon gar nicht mit meinen Bedürfnissen in Verbindung gebracht habe. Also ja, ich glaube, das war so der Hauptgrund und dass es einfach insgesamt zu viel war und ich das nicht früher oder rechtzeitig bemerkt habe und dadurch, dass ich es nicht bemerkt habe, dann eben auch nicht aussprechen konnte, so, stopp, es ist jetzt zu viel.
Ja, was denkst du, wie kam es dazu, dich so aus den Augen zu verlieren, also einfach nicht mehr wahrzunehmen, was du spürst und wo deine Grenzen sind? Gab es da oder hast du für dich irgendwo selbst in deiner Biografie verstanden, woher das kommt, dass du das so verlernt hast?
Also, ich glaube, schon so dieser Drang zum Perfektionismus, das alles immer tippitoppi zu machen, nicht nur im Job, sondern auch zu Hause, die Wohnung – alles muss einfach perfekt sein.
Und das ist natürlich wahnsinnig Kräfte zehrend und fast nicht leistbar.
Definitiv nicht leistbar. Das merken glaube ich alle Perfektionisten, dass wir einem ständig viel zu hohen Anspruch hinterher rennen und im Grunde sind wir ja nie zufrieden, oder? Weil es hätte ja immer noch besser sein können.
Wie gehst du denn heute mit deinem Perfektionismus um, also wie ist heute dein Verhältnis zu deinem Perfektionsanspruch?
Also ablegen, glaube ich, kann ich das nie, ist jetzt auch nicht mein oberstes Ziel. Aber ich bin da sehr viel nachsichtiger mit mir selbst geworden. Also ich mache auch jetzt einmal in der Woche meine Wohnung sauber, weil ich dieses Bedürfnis nach Sauberkeit und Ordnung habe.
Aber ich setze mich selber nicht mehr so unter Druck und Stress, wie ich das vorher gemacht habe. Ich bin einfach nachsichtiger mit mir selbst und frage mich, habe ich jetzt die Kraft, das zu machen?
Früher habe ich einfach es gemacht, weil das muss gemacht werden. Zum Beispiel einmal in der Woche muss die Wohnung sauber gemacht werden. Heute handhabe ich das einfach anders.
Das ist ein spannender Aspekt. Das heißt also, es ist quasi eine Instanz dazu gekommen, die vielleicht früher gar nicht spürbar war, nämlich die, erstmal zu gucken, habe ich dafür jetzt wirklich Kraft und Ressourcen?
Genau, ja.
Das ist doch ein ganz interessanter Punkt, zu merken, da ist etwas in dir wach geworden ist durch die Auseinandersetzung mit deinen Gefühlen und Bedürfnissen, dass es nun eine Instanz gibt, die früher nicht spürbar war, die einfach gut für dich sorgt, die guckt, geht es mir gut und kann ich das jetzt wirklich leisten. Die kommt vielleicht auch nicht immer zur rechten Zeit, aber zumindest ganz oft und dir da eine ganz wesentliche Unterstützung bietet.
Ja, das sehe ich genauso, das ist dann dieser Schritt zurück, den ich vorher mal angesprochen habe.
Ja, ja, toll, also das finde ich jetzt ein sehr schönes Bild, dass da so ein achtsamer Teil in dir ist, der guckt, geht es mir gut und kann ich das wirklich jetzt gut leisten.
Quasi wie so ein freundlicher Gegenspieler zu deinem hohen Anspruch, zu deinem Perfektionisten in dir.
Ja, ja dieses achtsam sein, achtsam sein mit sich selbst genau.
Ja, und dass die Wohnung vielleicht nicht in jedem Winkel dann jetzt jede Woche sauber geputzt werden muss, sondern es dann vielleicht auch mal reicht nur zu saugen oder so.
Ja, also zum Thema Achtsamkeit fällt mir auch ein, früher habe ich echt überhaupt nicht wahrgenommen, wenn draußen jetzt irgendwie die Knospen und Blätter zum Sprießen und Blühen angefangen haben. Ich weiß auch nicht, das war irgendwie ausgeblendet und mittlerweile sehe ich sowas und das finde ich total schön.
Auch in der Natur einfach achtsam durch die Welt gehen und es wahrnehmen und dadurch tanke ich schon auch wieder Kraft und Energie und geht es mir einfach besser.
Ja, schön, also quasi so ein bisschen dieser Tunnelblick ist verloren gegangen, diese Fokussiertheit auf die To-do’s, das muss ich noch alles machen und das muss ich noch machen. Weil da werden wir irgendwo sehr eng, habe ich ganz oft den Eindruck, und wenn wir dann durch so einen Schicksalsschlag erkennen, dass es noch sehr viel mehr gibt und auch vor allem Dinge, die uns Kraft spenden, wie die Natur und wie du das vorher beschrieben hast, dass du in der Mittagspause auch rausgehst, frische Luft tankst, dich bewegst und dein Blick wieder weitet, also auch weiter werden darf und nicht so fokussiert nur auf den Bildschirm gerichtet, dann wird auch in dir etwas weit. Zusammengefasst also dieser Blick, es gibt auch noch was anderes als die To-do’s, die wir versuchen, tagtäglich abzuarbeiten.
To-do’s ist tatsächlich noch ein ganz, ganz wichtiger Begriff, weil früher habe ich wirklich To-do-Listen geschrieben und die waren ewig lange. Und ich mich gefreut ein, zwei, drei Punkte wegzustreichen, aber hinten sind fast doppelt so viel nachgekommen und dieses Gefühl:
Ich schaffe das einfach alles nicht. Das ist ja eine Never-Ending-Story!
Ich erledige was, aber unten kommen noch mal neue Dinge dazu und das hört nie auf und das hat mich wahnsinnig gestresst und das mache ich zum Beispiel wirklich nur noch ganz, ganz, ganz selten. Ich habe festgestellt, ich komme genauso gut, eigentlich besser um die Runden, weil die Dinge, die wirklich wichtig sind, die sind auch in meinem Kopf und die mache ich dann auch, auch in der Regel rechtzeitig, aber ich setze mich da einfach nicht mehr so unter Druck. Dadurch, dass ich das immer schwarz auf weiß gesehen habe, war auf der eine Seite so ein Gefühl von Sicherheit, aber irgendwie dann eben auch total unbefriedigend, weil das hat einfach nicht aufgehört.
Ja, nachvollziehbar, oder?
Jetzt gibt es keine Listen mehr.
Ja, sehr schön. Das geht genauso.
Das kenne ich von mir übrigens auch sehr gut, als hättest du jetzt meine Story erzählt. Genau dasselbe, was du beschreibst, habe ich mir damals dann auch gedacht. Ich weiß doch eigentlich, was ich zu tun habe und was für Themen quasi noch offen sind. Und es gibt so viele Kleinigkeiten, die wir da ja auch gerne drauf schreiben, was weiß ich, zum Beispiel, ich möchte mal mein Kleiderschrank ausräumen oder so, das sind ja keine unbedingt wichtigen und dringenden Dinge, aber die füllen natürlich unsere ToDo-Listen und machen es uns irgendwann unerträglich darauf zu schauen, weil uns immer mehr wieder einfällt, als wir wegstreichen können. Ich glaube, das ist einfach ein Stresspotenzial, sich selbst ständig so klar vor Augen zu führen, was wir, ich sage jetzt mal, vermeintlich alles noch zu tun haben. Vieles davon ist mal ehrlich, nicht wichtig.
Genau, ja, eben diese Unterscheidung, was ist eigentlich wichtig und was ist dringend. Schon alles sehr spannend.
Was ist denn so deine wesentliche Erkenntnis, die du aus dem Burnout mitgenommen hast?
Also das, wo du dich auch immer wieder daran festhalten kannst und dich auch immer wieder daran erinnerst, was du gerne teilen möchtest.
Dass es mir vor allem gut gehen muss, also ich kann mich nicht um andere Personen kümmern.
Sei es damals die Oma oder die Eltern, Eltern werden ja auch älter, Partner und so weiter, das wird alles sehr, sehr anstrengend, wenn es mir nicht gut geht. Wenn ich nicht im Lot bin und ich will dann nicht egoistisch durch die Welt gehen, also da gibt es ja oft Diskussionen, bist du aber egoistisch oder so, darum geht es glaube ich gar nicht, sondern wenn ich mit mir im Reinen bin, mit meinen Gefühlen, Bedürfnissen und spüre, ist es gerade stimmig, passt das irgendwie alles zusammen, dann geht es mir gut und dann bin ich auch für andere da. Da kann ich überall besser, ich sage jetzt auch wieder, funktionieren, meine es aber in einem anderen Kontext.
Ja, einfach besser für andere da sein. Also mir hilft ganz oft dieses Bild, das ich auch gerne immer wieder in Gesprächen mit anderen sage: viele von uns sind bestimmt schon mal geflogen und wenn wir das hören, dass bei Sauerstoffabfall diese Masken runterkommen, da wird ganz klar und ganz deutlich gesagt: bitte zuerst die eigene Maske aufsetzen, bevor du anderen die Maske versuchst aufzusetzen, wie zum Beispiel kleinen Kindern oder älteren Menschen, die damit nicht zurechtkommen. Weil wenn ich keine Luft bekomme oder schlecht Luft bekomme, kann ich für andere nicht gut da sein und das ist für mich eigentlich das Bild. Das hat überhaupt nichts mit Egoismus oder Selbstbezogenheit zu tun, sondern einfach nur, wenn ich in meiner Kraft bin, wenn ich Luft bekomme, kann ich andere dabei unterstützen, selber zu atmen.
Wenn mir selbst Luft fehlt, dann kann ich andere nichts abgeben von dem, was ich selbst nicht habe und das ist kein Egoismus, sondern eigentlich eine Notwendigkeit.
Ja schön, vielleicht noch zum Abschluss, was ganz konkret könnte denn oder ist für dich eine Maßnahme oder Methode, um sich immer wieder daran zu erinnern und es nicht wieder aus den Augen zu verlieren, wie du es vorher gesagt hast, mit sich gut im Kontakt zu sein, und eben genau diese Instanz zu spüren in sich, die sich wachsam für dich einsetzt? Was könnte das aus deiner Sicht fördern beziehungsweise was machst du, um das zu fördern und zu steigern?
Also zum einen die regelmäßige Bewegung, das habe ich ja schon angesprochen. Ich gehe eben wie gesagt gerne Nordic-Walken, fahre auch gern Fahrrad oder gehe mal in die Berge, auch wenn die fast vor der Haustür sind, passiert das trotzdem leider noch wenig in meinen Augen, aber das hilft mir auf jeden Fall. Ich bin auch niemand, der ständig viele Leute um sich braucht.
Mir sind dann so Zweier-Settings oder kleinere Gruppen deutlich lieber. Und ich unterhalte mich dann auch wirklich über die wichtigen Dinge oder um die es mir geht. Das ist mir irgendwie viel mehr wert oder gibt mir mehr als irgendein Smalltalk oder Politik. Zum Beispiel ich habe auch aufgehört, Nachrichten zu hören. Das ist vielleicht auch noch ein wichtiger Punkt, oder Zeitungen zu lesen, ich lese da nur negative Sachen, Nachrichten, da ist Krieg und da sind Hungersnöte und da ist das. Ich kann es selber nicht beeinflussen und ich habe festgestellt, wie mich das total runterzieht und deswegen habe ich aufgehört. Und mir tut es gut. Das darf natürlich auch jeder für sich selbst entscheiden.
Für mich ist das ein gangbarer wirklich sehr, sehr guter Weg. Und dann noch die Meditationen.
Ich habe mir die 7Mind-App über meine Krankenversicherung downgeloaded. Das heißt, die Krankenversicherung zahlt es quasi. Und da sind wahnsinnig viele Meditationen drin. Was ich mir fast jeden Abend anhöre, ist ein Body Scan zum Einschlafen und das ist total beruhigend, weil die Dame oder Herr – man kann sich verschiedene Sprecher aussuchen – dann auch bewusst sagt, dass man nichts tun muss. Man konzentriert sich einfach nur auf seinen Körper und man darf auch einschlafen. Ich habe wirklich noch nie das Ende dieser Meditation gehört, die geht um die 25 Minuten. Und klar gibt es da unterschiedliche Tage: mal höre ich es länger an und mal nicht so lang. Wenn ich es länger anhöre, denke ich mir oft, komisch, wie gesagt ich höre mir das fast jeden Tag an und da sind immer wieder Textpassagen drin, wo ich mich dann selber amüsiere, sehr spannend, die höre ich gerade zum ersten Mal.
Oder zumindest ganz bewusst. *lach*
Ja, genau, ganz bewusst, aber wie gesagt, das tut mir wirklich gut.
Und daneben auch so Dinge, dass ich ausreichend Schlaf habe. Also klar gibt es auch mal irgendwelche Feiern und ich bin unterwegs und dann wird in der Früh eben nicht länger geschlafen, aber das merke ich schon, wenn ich meinen Schlaf nicht bekomme. Das ist eben auch nicht gerade förderlich dafür, dass es mir gut tut, aber das ist ja auch irgendwie sehr verständlich und geht wahrscheinlich jedem so.
Also zusammengefasst, Bewegung an der frischen Luft, an der Natur draußen, Gespräche, gute Gespräche, eben genau über diese Themen, die dich auch bewegen und meditieren, also das quasi auch mit in ein Bewusstsein nehmen, sich wirklich nach innen zu wenden, den Blick nach innen zu richten und du nimmst das quasi mit deinem Bodyscan zum Einschlafen auch noch ins Unterbewusstsein, sprich in die Schlafebene mit, was mit Sicherheit auch eine Wirkung hat, nehme ich mal stark an.
Ich gehe mal davon aus, ja.
Vielleicht noch irgendwas zum Abschluss, wo du sagst, das möchte ich noch ergänzen, erwähnen, loswerden oder vielleicht ein Tipp, was Menschen, die selbst sehr stressgeplagt sind, helfen könnte? Was würdest du ihnen raten?
Also was mir noch wichtig ist zu sagen, das fällt mir jetzt wirklich gerade ganz spontan ein, damit offen umzugehen.
Also auch wenn das in der Gesellschaft vielleicht ja immer noch so ein bisschen verpönt ist, auch wenn die Zahlen der Betroffenen steigen. Corona und so weiter hat das wahrscheinlich auch so ein bisschen befeuert. Die Jobs werden ja auch immer stressiger, jeder erwartet immer schneller Antwort und so weiter.
Mir war damals zum Beispiel wirklich total schnell klar, ich gehe damit offen um.
Ich habe das in der Firma sehr offen kommuniziert. Da war dann nicht irgendwie eine Knie-OP als Vorwand vorgeschoben worden, sondern ich habe das sehr offen kommuniziert. Ich hatte auch das Glück, zumindest in den Gesprächen direkt mit den Personen, dass jeder sehr offen damit umgegangen ist. Ich habe schon eine Unsicherheit gemerkt, natürlich bei den anderen auch.
Aber für mich war es eine Erleichterung, weil sonst hätte ich ja wieder eine Rolle spielen müssen und wieder die Starke und das überspielen müssen und das wollte ich einfach nicht mehr.
Das war mir total klar, nein, ich will da jetzt ehrlich und authentisch sein. Es war mir alles zu viel und wenn ich das nicht so deutlich kommuniziere, dann wird sich auch nichts ändern, weil es beim anderen gar nicht so ankommen kann, wie ich es eigentlich meinen. Es war zu viel.
Das ist ein sehr, sehr schöner, ganz wichtiger Satz zum Schluss. Der Rat an die Menschen, damit offen umzugehen, sich damit zu zeigen, weil das ein ganz wesentlicher, wenngleich auch ein sehr mutiger Schritt, aber ein ganz wesentlicher Schritt eben mehr zu dir selbst zu stehen, mehr zu dem, was für dich gerade im Erleben da ist und eben nicht wieder in eine Rolle zu springen und nicht wieder eine Maske aufzuziehen und zu tun, als ob du wieder funktionierst, sondern wirklich zu zeigen, mir geht es gerade nicht gut.
Und damit ist auch das Umfeld einbezogen, trotz Unsicherheit. Und dass das Umfeld unsicher ist, ist denke ich auch total nachvollziehbar, weil oft werden wir ja völlig anders erlebt. Weil wir nämlich eben gerade als die Starken erlebt werden, die alles können und die immer gut funktionieren. Und jetzt plötzlich funktioniert diese doch so taffe und selbstsicher wahrgenommene Sabina nicht mehr, da bricht natürlich auch da eine Illusion zusammen.
Spannend, genau, weil diese Fweedback habe ich auch bekommen und hatte ich von mir selbst ja auch.
Ich war total überrascht, dass ausgerechnet mich das trifft, hätte ich früher nie im Leben für mich gedacht.
Und ich hatte auch vorher schon im Freundes- und Bekanntenkreis Personen, die das schon mal erhebt haben, dieses Schicksal. Ich habe das damals auch nie beurteilt oder verurteilt, ich konnte mich aber auch nicht reinfühlen. Tatsächlich mit den jetzigen Erfahrungen beurteile ich das jetzt ganz anders, weil ich das damals nicht einschätzen konnte.
Also wenn man noch nicht in dieser Situation war, dann glaube ich, tut man sich da wirklich sehr, sehr, sehr schwer, das überhaupt nachzuvollziehen, sich da rein zu versetzen, wie geht es dem anderen gerade.
Ja und das auch zusammenzubringen. Also ich mag da dem Umfeld gar keinen Vorwurf machen, dass es oft wie so eine unfassbare Kluft wahrgenommen wird zwischen dem sonstigen, also bisherigen Bild und dem, was sie jetzt hören und vielleicht noch gar nicht so richtig spüren und wahrnehmen können, weil ich unsere Präsenz und das, wie wir die Dinge dann halt auch anpacken, sich ein Stück weit auch wiederholt mit dem „Also ich mache das jetzt und ich zeige mich da“ – das kann ja auch als große Stärke wahrgenommen werden. Also bringen die das oft nicht zusammen, wie muss sich dieser Mensch wirklich fühlen?
Das wirklich zusammenzubringen, wie fühlt sich dieser Mensch, weil dieses, wie er wirkt, nicht zu dem zu passen scheint, wie er sich jetzt ausdrückt, wie es ihm gerade geht – außer wenn man jetzt vielleicht gerade wirklich völlig aufgelöst und in Tränen da steht – aber das sind wir ja auch nicht immer. Wir können ja auch über unsere Gefühlszustände sprechen in einer sehr klaren und sehr gefassten Art und Weise und dann ist es für die Menschen oft gar nicht so spürbar: Wie geht es diesem Menschen jetzt gerade? Was ist da wirklich gerade los? Da bricht halt einfach auch für die eine Welt zusammen.
Der Mensch, wie er bislang war, ist wohl nicht mehr so und das verstehen, glaube ich, ganz oft die Menschen nicht direkt.
Das heißt, da braucht es vermutlich auch einfach Zeit, bis es dann wirklich spürbar wird, also wirklich gefühlt werden kann, dass das jetzt eine andere Sabina ist, viel nachvollziehbarer, vielleicht auch viel spürbarer und viel direkter im Zurückmelden, wo sie gerade steht und wie es ihr geht.
Und das sind übrigens total schöne Erfahrungen, weil das habe ich sowohl von meinem jetzigen Chef als auch von anderen Personen in meinem Umfeld gehört, dass da eine Entwicklung stattgefunden hat.
Das ist dann natürlich echt sehr, sehr schön, wenn man sowas hört.
Da freue ich mich dann darüber, dass das alles was gebracht hat und wie gesagt, das ist ein Weg und die Richtung stimmt und es ist schön, wenn man das dann von anderen wiedergespielt bekommt, dass sie da auch eine positive oder eben eine Veränderung feststellen. Und ich bin da einfach authentischer, glaube ich, ja. Das gelingt mir wahrscheinlich auch nicht immer, aber viel, viel besser als rüber.
Vielen, vielen Dank für deine Offenheit, deine Bereitschaft, dein Tiefblicken lassen, zu erzählen, wie es dir ergangen ist, was du erlebt hast, wie es dir heute geht, was dir geholfen hat oder nach wie vor hilft.
Ich hoffe, dass das sehr, sehr vielen Zuhörenden hilft, sich selbst darin so ein bisschen zu erkennen und vielleicht das ein oder andere mitzunehmen und vielleicht das ein oder andere auch mal auszuprobieren und dann hoffentlich so ähnlich wie du positive Überraschungen zu erleben, was sich dadurch alles verändert und nicht immer alles besser wird, aber zumindest wie du es zusammenfassend zum Schluss gesagt hast, dass man das Gefühl hat, authentischer zu sein, sich selbst gegenüber und auch dem Umfeld gegenüber, äußern zu können, wie es mir gerade geht, was ist für mich möglich und wo ist für mich einfach eine Grenze erreicht.
Ganz, ganz lieben Dank.
Sehr, sehr gerne, liebe Katja.
Und allen Zuhörerinnen und Zuhörern drücke ich natürlich die Daumen, geht euren Weg, achtet auf euch und dann wird das alles.
Mit diesen wunderschönen Worten kommen wir zum Ende unseres Interviews.
Ich danke euch fürs Lesen und wünsche euch noch einen tollen Tag.
Bis zum Wiederhören oder Wiedersehen.
Tschüss!