18.07.23 – Via Gebennensis 10. Tag

von Katja Härle

18. Juli 2023

La Côte-Saint-André – Primarette 25 km

Ich lasse mir heute morgen Zeit. Einfach so. Obwohl ich – wie üblich – um kurz nach 6:30 Uhr und damit sehr früh wach bin. Ich nehme noch das Frühstück ein, das im Zimmerpreis von 55 Euro beinhaltet ist. Und um 8:30 Uhr laufe ich los. Eigentlich meine sonst gewohnte Zeit, aber was läuft auf diesem Camino schon wie gewohnt 😉

Die ersten 10 Kilometer sausen nur so dahin. Liegt vielleicht an meinen Kompressionsstrümpfen, die ich der Funktion folgend auch hochgezogen – bis fast an die Kniekehlen – trage. So fühle ich mich schon sehr deutsch. Aber hey, völlig egal. Ich bin ja hier nicht auf nem Laufsteg sondern auf einem Pilgerweg.

Start in den Tag – meine Socken sind scharf, was?

Ansonsten laufe ich mal wieder alleine. Niemand begegnet mir, zumindest die ersten 15 Kilometer. Und der Weg hat‘s heute nicht leicht mit mir. Oder ist’s umgekehrt? Ich packe heute meinen ganzen Sarkasmus aus und quittiere alles mit entsprechenden Kommentaren. Ist ja ohnehin niemand da, außer mir und dem Weg halt. Und mir macht es Freude, heute so richtig zynisch und sarkastisch durch die Gegend zu schnauben. Macht auch mal Spaß, seine dunkleren Seite auszuleben und nicht immer hübsch auf nett und lichtvoll zu tun. Es gehört einfach alles dazu. Also auch mein Sarkasmus.

Wie jetzt? Da geht der Weg rein?
Au ja, ich liebe Brennnesseln und Brombeersträucher – am besten voll durch. Et voilà! Wie gewünscht, Madame 😉
Und heute passiere ich eine Menge Sonnenblumenfelder, die in der Hitze Blätter und Blüten hängen lassen
Und noch ein Waden-Streichler-Weg 🙂 herrlich
Und noch mehr Sonnenblumen
Selbst den Sonnenblumen ist es zu viel Sonne und Hitze.

Um kurz vor Mittag begegnet mir dann auf dem Weg die in der Schweiz lebende Ruth. Sie ist heute morgen schon deutlich früher als ich gestartet, läuft allerdings etwas langsamer, weshalb ich sie tatsächlich einholen konnte. Jetzt habe ich endlich ein Gesicht zu den Einträgen in den Kirchenbüchern. Später treffen wir uns in der Unterkunft wieder.

Wegzeichen

Neben steinigen und zum Teil stark verwachsenen Wegen laufe ich heute wieder viel Asphalt. Müdigkeit kommt allerdings erst auf dem letzten Kilometer in meine Beine.

Apropos Beine, Füße und Schuhwerk:

Ich habe mich dieses Mal gegen knöchelhohe Wanderstiefel entschieden und stattdessen gut gedämpfte Trailrunning Schuhe gekauft. Für Asphalt absolut perfekt. Mit den orthopädischen Einlagen musste ich etwas experimentieren. Die eigentlich Neuesten tragen in der Höhe zu sehr auf und engen meinen Fuß dadurch ein. Die ersten 2 Tage entstanden dadurch Blasen, was das Tragen der Einlagen seither unmöglich macht. Jetzt trage ich einen Mix aus dünneren Einlagen (links) und der originalen Schuh-Einlegesohle (rechts). So geht’s. Und Blasen habe ich vor allem an meinen zwei kleinsten Zehenbeeren – mal wieder an der Unterseite. Was allerdings hier super funktioniert: Breitwegerich! Danke für die Erinnerung, lieber Reinhard. Das Kraut wirkt desinfizierend und entzündungshemmend, hilft wirklich, vor allem an Stellen, an denen Blasenpflaster nichts taugen (wie den Zehenbeeren). Und da es fast überall wächst, das perfekte Blasenmittel für den Jakobsweg.

Die letzten 2-3 Tage haben sich nun noch 2 Blasen dazugesellt, die tief unter der Hornhaut entstehen. Unangenehm, weil schwer behandelbar (die Haut ist zu dick zum Aufstechen), allerdings machen diese glücklicherweise kaum Beschwerden.

Meine Knie – insbesondere mein sensibles, linkes Knie – sind topp. Und das bei der Hitze.

Ergo, meinen Füßen und Beinen geht es verhältnismäßig super.

Also komme ich flinken Fußes um kurz vor 15 Uhr in der heutigen Unterkunft an. Und die ist Zucker. Fred ist ein witziger, sympathischer und unterhaltsamer Kerl und hat die Gîte wirklich sehr hübsch eingerichtet. Er legt viel Wert auf Ästhetik, Sauberkeit und Ordnung. Also genau mein Ding. Und er schafft es tatsächlich die Räume, vor allem den Schlafraum, kühl zu halten. Absolut empfehlenswert (er hat auch ein AirBnB-Appartement für 55 Euro die Nacht; grandios vor allem im Vergleich zu meiner gestrigen Erfahrung zum gleichen Preis).

Nach dem Mittag kommt Wind auf – herrlich bei den erneut höheren Temperaturen um die 34-36 Grad
La Ferme des 1000 couleurs – Die Farm der 1000 Farben, zuckersüße Pilgerunterkunft und für 40 Euro inkl. Abendessen und Frühstück mehr als fair
Ich mit Gastgeber Fred und Ruth
Illumination bei Nacht
Etappe 10

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