Bodenaya – Borres
(27,5 km)
David weckt uns am Morgen zur vereinbarten Zeit mit Musik: Ave Maria. Vereinbart, weil seine Philosophie ist, dass die Pilger am Abend davor eine Zeit ausmachen, zu der sie aufstehen wollen. David will damit dem entgegen wirken, dass, wie in allen anderen Herbergen, es bereits sehr früh unruhig werden kann – manche Pilger wollen unbedingt bereits gegen 5 Uhr losmarschieren. So ist eine seiner Regeln: die Pilger einigen sich auf eine Zeit, zu der alle aufstehen. Das Frühstück ist dann gemacht und die Wäsche liegt dann auch gewaschen, getrocknet und gefaltet bereit. Und das alles wohl gemerkt auf Spendenbasis! David ist wahrlich ein Schatz des Caminos. Und ein derartiges Kontrastprogramm zu der jetzigen Herberge, dass ich ganz wehmütig werde. Aber dazu später mehr.
Der Tag beginnt also zunächst sanft. Schnell kommt allerdings etwas Ärger – vor allem über mich selbst – auf, weil ich mein Handyladestecker nicht mehr auffinden kann. Und kurze Zeit später vermisse ich auch noch meinen Geldbeutel (im wahrsten Sinne Beutel, meine Karten, Ausweis und das Gros des Geldes ist wie gehabt sicher im Sport-BH verstaut). Ich beruhige mich mit den Worten, dass beides nicht so schlimm ist. Der Stecker ist leicht ersetzbar (der zunehmenden Einheitlichkeit der Stecker mit USB sei Dank) und das vermisste Geld war nicht viel, max. 30 Euro. Und siehe da: beides taucht wieder auf, nachdem ich anschließend meinen Rucksack zum Losmarschieren packe, fällt mir tatsächlich sowohl Stecker als auch Geld wieder in die Hände.
David umarmt mich zum Gehen und meint, ich solle das Lächeln nicht vergessen. Dieser Satz begleitet mich noch ein ganz schönes Stück des heutigen Weges.
Der beschreibt heute wieder ein stetes Auf und Ab.
Gegen Mittag kommt mal ein Graupelschauer, der nach 10 Minuten wieder vorüber ist. Naja, zumindest habe ich jetzt einmal alleine meinen Regenponcho über mich und Rucksack gebracht. Nachdem dann wieder die Sonne scheint, ziehe ich meinen Poncho frohen Mutes wieder aus. Wenig später tröpfelt es erneut. Doch auch das ist schnell vorbei. Auf den letzten 1,5 km frohlocke ich schon, dass ich auch heute Glück mit dem Wetter hatte und trockenen Fußes ankommen werde. Das hätte ich wohl nicht tun sollen: keine 15 Min später öffnet der Himmel alle Schleusen. Es graupelt zwar wieder, aber da kommt noch genug Nass mit dazu, so dass ich schließlich komplett durchnässt an meinem heutigen Quartier ankomme. Mehr als Quartier verdient die Herberge nicht. Es ist die wohl übelste, ungemütlichste Herberge, die mir auf meinen über 1000 Camino-Kilometern untergekommen ist. Empfangen tut einen niemand. Man hat zur hiesigen Bar zu kommen und sich dort anzumelden. Da werde ich jetzt gleich mal hingehen.
Dampfig bzw. neblig ist’s im Tal. In der Höhe, auf der ich meinen Tag starte, scheint allerdings die Sonne.
Die unschönste Herberge bislang. Aber zur nächste wären es über 14 km. Ich war kurz versucht, diese zu laufen, aber in Anbetracht der Zeit (15:30 Uhr) waren mir das dann doch zu viel Kilometer. Naja, eine Nacht werde ich überleben. Jetzt trinke ich erstmal 1-2 Bier. Die helfen sicher;-)