Dankbarkeit üben

von Katja Härle

29. September 2023

29.09. 2023 Treis-Karden – Bullay 27 km

Die letzten Tage und vor allem heute finden sich sehr viele Anlässe, um dankbar zu sein. Also möchte ich dies nun mal gebührend zum Ausdruck bringen.

Gestern schon während des Tages entscheide ich, meine Wanderstiefel nach Hause zu schicken. Das ist das erste Mal auf einem Jakobsweg, dass ich ein Paket mit überflüssigen oder falsch gepackten Sachen nach Hause schicke. Schon allein dafür kann ich dankbar sein, weil ich mich ja derzeit in Deutschland befinde, womit die Kosten und die Lieferzeit doch sehr überschaubar sind. Ein Paket aus Spanien oder gar der Schweiz heimzuschicken, dürfte da eine gänzlich andere Hausnummer sein. Also habe ich gestern ein ziemlich großes Paket mit Wanderstiefel, Regen-Poncho, wärmere Jacke, Weste und noch so ein paar Kleinigkeiten bestückt und das ging auch nur, weil mir meine Pensionswirtin flux einen Karton in der richtigen Größe zur Verfügung gestellt hat. Inklusive Klebeband.

Ein weiterer Grund, um dankbar zu sein: heute Morgen stehe ich um 8:50 Uhr vor dem Paketshop, der sich in einem Tierfutter-Handel befindet. Problem ist allerdings, dass dieser erst um 9:30 Uhr öffnet. Zugegeben, das wusste ich – Internet sei Dank – auch schon vorher. Ich dachte einfach, ich schau da jetzt mal hin, weil so richtig warten wollte ich bis um 9:30 Uhr nicht. Letztlich habe ich heute eine sehr lange Strecke vor mir und, wie schon gestern geschrieben, drückt mir diesbezüglich doch tatsächlich der Schuh. Also stehe ich bereits um 8:50 Uhr vor dem Laden und hoffe auf irgendeine Wunder. Und siehe da: eine Dame ist tatsächlich schon da und räumt im hinteren Teil des Ladens Pakete hin und her. Ich mache mich durch Klopfen bemerkbar (etwas unangenehm ist mir das ja schon, aber manchmal muss man für Wunder selbst sorgen ;-)) Zum Glück öffnet sie die Türe. Ich erkläre ihr meine Situation und sie ist doch tatsächlich bereit, mir zu helfen. Ich bin so dankbar, das Paket jetzt schon los zu sein und mich letztlich damit schon 40 Minuten eher als gedacht auf den Weg machen zu können. Um ehrlich zu sein, dieser Umstand ist mir so ein Segen, dass er diese Dankbarkeitswelle in mir erst so richtig in Gang bringt.

Also was fällt mir noch ein? Genau, ich bin mir selbst dankbar. Denn, vorgestern bekam ich eine E-Mail auf meinen Geschäfts-Account und die hat mich ziemlich aus dem Konzept gebracht. Ein QR-Code, den ich mir vor kurzem für Flyer und Plakate über eine Internetseite erstellt hatte, soll in drei Tagen ablaufen, wenn ich nicht bereit bin, ein kostenpflichtiges Abo abzuschließen. Ich bin sauer. Beim Erstellen des QR-Code stand weder etwas von Ablaufdatum noch von Abo. Und ich bin fassungslos, dass ich in eine solche Falle getappt bin. Die Machenschaften im Internet sind ja bekannt, doch dass es mir nun mal passiert ist, will ich erst nicht begreifen. Wieso bin ich mir diesbezüglich nun dankbar? Das ist in meiner gut ausgeprägten Analysefähigkeit und meinem richtigen Riecher begründet. So ganz geheuer kommt mir die E-Mail nämlich nicht vor. Ich forsche also nach und finde heraus, dass diese E-Mail gar nicht von dem Betreiber stammt, auf dessen Seite ich meinen QR-Code erzeugt habe. Ich hatte mir natürlich einige Seiten angeschaut. Allerdings habe ich mich nirgends angemeldet oder ähnliches. Wie die nun an meine E-Mail-Adresse gekommen sind, ist mir schleierhaft. Egal. Wichtig ist, ich habe das Problem gelöst bzw. die Ursache als Spam erkannt – denen wäre ich doch beinahe auf den Leim gegangen. Meine Fähigkeit zu erkennen, dass hier was nicht stimmt und dem auf den Grund zu gehen, hat mich davor bewahrt.

Dann kann ich noch Dankbarkeit aussprechen für die Fügung des Lebens. In der Vorbereitung dieses Caminos hatte ich erneut versucht, in einem Kloster unterzukommen. Um genau zu sein im Kloster Maria Engelport, das ich heute passierte. Und wie schon so oft hatte ich mal wieder Pech: Schweigeexerzitien ohne Gastaufnahme. Wie ich gestern allerdings von einem anderen Pilger erfuhr, gilt das wohl nicht für alle, denn er hatte telefonisch tatsächlich ein Zimmer bekommen. Komisch. Ob da eine höhere Macht am Werk ist? Auf jeden Fall bin ich sehr froh, dass es so gekommen ist. Sonst hätte ich nämlich gestern 28 km laufen müssen, was ich mir bei meiner gestrigen Konstitution schwerlich hätte vorstellen können. Heute bin ich entschieden besser drauf. Mein Energieniveau scheint sich wieder normalisiert zu haben, so dass die Strecke nun wesentlich machbarer ist, als ich mir das gestern noch hatte vorstellen können. Umso dankbarer bin ich damit für die Fügung, dass eben nicht immer alles nach Plan läuft und sich das im Nachgang dann doch als das Bessere herausstellt.

Zu guter letzt danke ich mir erneut. Ich bin heute wieder beschwingter als an den Tagen davor und ich bin zuversichtlich, dass ich die knapp 28 km schaffen werde, wie lange ich auch immer dazu brauchen werde. Ich bin dankbar für meine Zuversicht, für meine Ausdauer und dafür, dass ich immer an das Beste in mir und im Leben glaube. Ich bin zutiefst für mein Vertrauen dankbar, dass ich immer einen Weg finde, egal, was passiert. Und das ist schon eine Menge wert, oder? Und wie steht es um Deine Dankbarkeit? Findest Du auch so viele Dinge, wofür Du dankbar bist?

Was wollte ich noch schreiben?

Ach ja, zum Weg. Der war heute einfach ein Traum. Grob überschlagen ging es 90 % des Weges durch Wald. Einfach traumhaft. Im Grunde war ich die ganze Zeit alleine; kaum ein anderer Wanderer, geschweige denn ein Pilger, selten dass mir ein Fahrradfahrer begegnet ist. Ich wandere ganz bei mir durch die wilde Natur, auf unterschiedlichsten Wegen, von überwuchernd bewachsen, über Wiesen bis hin zu gut ausgebauten Feld- und Waldwegen. Immer wieder mal hoch und runter mit schönen Aussichten auf Burgen und Mosel. Alles in allem also ein Tag, an dem ich eigentlich nur dankbar sein kann.

Tagesanbruch über Treis-Karden
Wildburg
Rein in den Wald
Kloster Maria Engelport habe ich nach knapp 2 Stunden erreicht.
Wilde Schlucht kurz hinterm Kloster
Blick auf Beilstein und Burg Metternich
Das sind mal steile Weinberge!
Lauschiges Beilstein
übrigens der einzige Ort, den ich heute durchquere
Und wieder rein in den Wald
Auf dem Moselhöhenweg
Ab Mittag dann bewölkter
Kurz nach 16 Uhr erstaunlich früh Ankunft Pension Moselinchen, meiner heutigen Unterkunft
Günstig mit 40 Euro für ÜF, das Bett ist allerdings sehr durchlegen. Mal sehen, wie die Nacht wird
Etappe 3

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