07.05.2023 – Schweizer Jakobsweg 6. Tag

von Katja Härle

7. Mai 2023

Alpthal – Brunnen 15,4 km

Ich liege im Stroh und tippe meinen Blogbeitrag für heute. Für diese Nacht haben wir uns Schlafen im Stroh rausgesucht. Ich bin sehr gespannt, wie das wird. Tatsächlich habe ich die Befürchtung, dass mir zu kalt sein wird. Seit wir angekommen sind – während des Laufens war uns das Wetter wie schon die letzten Tage gnädig – gewittert und vor allem regnet es ergiebig. Es hat jetzt schon empfindlich abgekühlt. Und naturgemäß ist Schlafen im Stroh in der Scheune – und die ist einfach gebaut, ohne Dämmung, zwischen Wand und Decke offen. Es säuselt bereits spürbar kühl von draußen rein. Ich bin offensichtlich verhohnepipelt 😉 Von unten ist es allerdings warm und ich liege recht gemütlich. Mal sehen also, wie die Nacht wird.

Die vorherige Nacht bei unserer rüstigen 89-jährigen Gastgeberin war dafür sehr ruhig und wohlig warm. Richtige Federbetten und keine anderen schnarchenden PilgerInnen ist schon was Feines. Hat aber natürlich seinen Preis: pro Nase 50 CHF. Allerdings mit Frühstück. Das fällt zwar nicht üppig und variantenreich aus, aber es ist vollkommen ausreichend und als Pilger sollten wir uns ohnehin in Genügsamkeit üben. Das meine ich tatsächlich ernst, denn einer der Bausteine für Zufriedenheit – nach wie vor leitet mich das Thema auf dieser Pilgerreise – ist eben Genügsamkeit. Ich assoziiere damit insbesondere, dass mir das, was ich habe und sich zeigt, genug ist. Dass ich anerkenne, dass ich von allem genug habe. Und das stimmt ja auch. Ich habe genug zu essen, denn auch heute den Tag über und auch jetzt am Abend versorgen wir uns selbst. Leider steht in der Scheune keine Herdplatte zur Verfügung. Sonst hätte es gebratener Eierreis gegeben. So bleibt uns abermals eine Brotzeit zu machen. Satt werden wir allemal. Also genug zu essen haben wir dabei. Außerdem gab‘s noch einen halben Liter frische Kuhmilch und 6 frisch gelegte Eier. Sind ja direkt beim Erzeuger. Die Eier hat Frank schon im Wasserkocher gekocht. Wir wissen uns zu helfen.

Der Regen prasselt immer wieder heftig gegen das Welldach. Und wir liegen im Trockenen und im warmen Stroh. Heute Morgen, kurz bevor wir in den Tag starten wollen, zieht erneut ein Gewitter auf. Doch als wir lospilgern und zum Schutz unseren Poncho anlegen, regnet es selten mehr als ein Nieseln. Und so bleibt es, bis wir nach gut 1,5 Stunden Berganstieg unsere Ponchos wieder ganz verstauen können. Die Wolkendecke reißt auf und die Sonne begleitet uns wieder bis kurz vor unserem Etappenziel. Also auch das ein Grund, um zufrieden zu sein.

Und wie es aussieht, bleiben wir in unserem Strohlager heute Nacht alleine, obwohl hier locker noch 2 Fußballmannschaften Platz hätten. Es bleiben also genügend Wolldecken für uns, um es uns so richtig warm und gemütlich zu machen. Und Schnarchen kann auch nur von uns beiden drohen. Auch hier keinen Grund für Meckern oder Unzufriedenheit.

Alles andere sind eher Luxusproblemchen: keine 18-20 Grad Zimmertemperatur. Keine Federdecke zum Reinkuscheln. Kein warmes Essen. Haben viele auch nicht. Nicht nur für eine Nacht nicht, sondern grundsätzlich nicht. Dann werde ich das für eine Nacht überleben!

Der Aufstieg auf Haggenegg im Nieselregen
In den Wolken unterwegs
Zur ersten Pause kommt die Sonne raus
Rastplatz auf dem Weg zum Gipfel – bemerkenswert: jeder Grillplatz, der uns bislang auf dem Weg in der Schweiz begegnete, war mit Feuerholz ausgerüstet!
Und dann sind wir oben: Haggenegg mit 1414 hm der höchste Punkt des Jakobsweges nördlich der Pyrenäen.
Schöne Aussicht
Der lange Abstieg von über 900 hm über 7 Kilometer beginnt
Für Kniegeschädigte nur mit Wanderstöcken zu empfehlen
Insbesondere anfangs gibt es sehr steile und rutschige Passagen
Über Geröll und Waldboden mit Wurzelwerk
Bis es schließlich in einen geteerten oder geschotterten Ziehweg übergeht
Brotzeit, nachdem der größte Auf- und Abstieg überstanden ist, mit Blick auf den Vierwaldstättersee
Traumhaftes Bergpanorama – heute „erlebe“ ich die Schweiz das erste Mal so richtig. Über die letzten Wandertage wirkte die Gegend auf mich eher wie im Allgäu.
Die Ortschaft Schwyz
Erneut braut sich ein Gewitter zusammen.
Wie so oft auf Jakobswegen wird eine Ortschaft umständlich umkreist, weil noch ein „Kapellechen“ (die Verniedlichung von Kapellchen) erpilgert werden will… 😉
Nur gut, dass wir die Zahnwehkapelle (heißt wirklich so) noch erlaufen haben, bevor es so richtig anfängt zu schütten: so kann ich noch meine warmgelaufenen Füße im Bach kühlen
Schlafen im Stroh bei Familie Bucheli
Unser Nachtlager ist gerichtet…
Etappe 6



Mit einem Klick teilen:

Vielleicht interessiert Dich auch….