France et moi, der Camino und ich
Frankreich, wird es Liebe werden?
Noch sind wir dabei, uns bekannt zu machen. Also ich und Frankreich. Ich bin seit sieben Tagen, einer Woche, unterwegs. Und ich hatte im Vorfeld so viel über die speziellen Pilgerherbergen und das französische Essen in diesen so genannten Gîte d’etape gehört. Aber erlebt habe ich diesbezüglich noch nicht viel. Zum einen liegt das daran, dass ich bislang wenig Glück hatte, in einer Gîte d’etape unterzukommen. Und noch viel weniger Erfolg hatte ich dabei, eine zu finden, die auch essen zubereitet. Einer der Gründe, weshalb ich bislang vier mal auf Campingplätzen war, mit heute sogar fünf Nächte. Und Campingplätze haben nichts mit Pilgerherbergen gemein. Hier treffen Urlauber aufeinander, die aus den unterschiedlichsten Gründen unterwegs sind.
Das französische Essen, das ich bislang „genießen“ konnte, war, sagen wir mal, naja. Im Grunde war nichts dabei, was besonders geschmeckt hätte oder besonders zubereitet worden war. Alles in allem eher enttäuschend und zudem teuer. Also bezüglich der französischen Speisen kann ich noch nicht von Liebe sprechen. Mal drei Beispiele: am Sonntag auf dem Campingplatz Neydens habe ich Pasta mit Pilzen bestellt – für 18 Euro. Die Nudeln schwammen, aber nicht in Soße, sondern in Wasser. 3 Morcheln (immerhin) hatte sich im Wasser wahrscheinlich verfangen. Vielleicht war das ein Versehen und sie kamen durch‘s Sieb durch *lach* Ich habe die Suppe dann sämig gemacht, in dem ich fast den ganzen Pott Parmesan aufgebraucht habe, den man mir dazustellte. Am Donnerstag in Yenne habe ich abends einen Quinoasalat bestellt – als Hauptgang wohlgemerkt. Bekommen habe ich eine Handvoll Quinoa pur (!) seitlich garniert mit vielleicht 10 Scheiben Gurken und ebenso vielen Scheiben Avocado. 3 Kirschtomaten thronten oben auf. Das Ganze für 14 Euro, fast schon ein Schnäppchen. Und heute Abend habe ich mir eine Pizza mit Schinken und Knoblauch bestellt. Preislich mit 11 Euro total ok. Soweit so gut. Ich liebe Knoblauch. Das möchte ich vorwegschicken. Allerdings gibt es ein zu viel. Und auf der Pizza war so viel Knoblauch (ich schätze als Paste mit Salz versetzt, weil sie unglaublich salzig war), dass ich beim letzten Drittel viel Belag runterkratzen musste. 3 Bespiele, die in guter Gesellschaft sind… Einzig: ich habe bislang nur gutes Eis gegessen. Und zwar ausschließlich. Vielleicht sollte ich mich an Gurken, Tomaten aus dem Supermarkt und Eis halten. Wäre auch gut für meine Linie. Tatsächlich habe ich mir schon Wochenanfangs gedacht, vielleicht mache ich all die Erfahrungen, dass ich endlich mal Gewicht verliere 😉 Kann ja nur an mir liegen, nach alldem, was ich sonst schon gehört habe.
Bezogen auf die Menschen bin ich noch im Annäherungsprozess. Die Sprachbarriere ist hierbei vordergründig das Problem. Oft treffe ich in Unterkünften und Restaurants auf freundliche Menschen. Doch meist kommen wir über ein paar Brocken an Wörtern nicht hinaus. Allerdings möchte ich betonen, dass sich die meisten bemühen, auch einige Wörter englisch zu sprechen. Anders, als man den Franzosen oft nachsagt. Zugegeben begegne ich ihnen auch immer zuerst mit dem wenigen Französisch, das mir noch leicht von der Zunge geht 😉
Und nun zum Weg: Der Weg an sich, die Wegbeschaffenheit, die Landschaft und die Natur sind bislang wunderschön. Abwechslungsreich, manchmal sehr wild, verlassen und einsam, und mäßig anstrengend (wäre die Hitze nicht, wär’s kein Ding). Dennoch, noch bin ich nicht verliebt, das mag aber noch kommen.
Alles in allem merke ich heute zum ersten Mal, dass ich ankomme. Ankomme auf dem Weg, beim Pilgern, in Frankreich, im Sommer, bei mir. So langsam realisiere ich, dass ich ähnlich wie 2017 bei meinem ersten Jakobsweg und 2019, als ich auf dem Camino del norte und dem portugués unterwegs war, lange Zeit wandern kann. Über 6 Wochen habe ich Zeit und das war erst die erste Woche. Und Frankreich ist nicht Spanien, lässt nicht oder noch nicht dieses weite Feld an Pilgern spürbar werden. Hier ist die Pilgergemeinschaft klein. Heute treffe ich erneut das Schweizer Pärchen, wahrscheinlich zum letzten Mal. Sie haben die nächsten Tage andere Etappen geplant und reisen dann auch wieder ab. Die kleine Anzahl an Pilger, Pilger, die nur 1-2 Wochen unterwegs sind, anders also, als ich es auf meinen anderen langwöchigen Pilgerreisen erlebt habe. Nicht schlechter, nur anders. Vielleicht ändert sich das noch, wenn ich näher Richtung Le Puy-en-Velay komme, vielleicht auch nicht. So wie es ist und wird, ist es gut und soll so sein.
Und gemäß meinem Mantra: alles ist gut, so wie es ist und nur zu meinem Besten. In allem kann man auch das Positive sehen, statt das Negative.
Wer nach dem Haar sucht, dem entgeht die Suppe.
Bert Hellinger
Heute gefunden und sehr passend zu meiner neuesten Erkenntnis, mich auf das zu konzentrieren, was gut ist, statt auf das Störende.
Pilgern – meine Religion?
Vor einigen Tagen schrieb ich vom plötzlichen Gedanken, dass das Pilgern meine Religion und der Jakobsweg meine Kirche sein könnte. Mich hat der Gedanke erst sehr erschreckt; ich assoziiere mit Religion Glaubensgemeinschaften mit engen Grundsätzen, Regeln und allzu oft auch Dogmen. Und das ist nichts für mich. Ich möchte offen werden, bleiben und sein. Nichts ausschließen, neugierig bleiben und nicht mit festen Filtern Menschen und Situationen begegnen. Die Frage ist nur, ist das überhaupt erreichbar?
Wesentlich ist allerdings, dass mir heute unterwegs die Klarheit kam, was ich mit dem Pilgern verbinde: ich erhoffe mir Antworten auf wesentliche Fragestellungen in meinem Leben. Ich wünsche mir Erkenntnisse und Einsichten, die mir im Alltag als Führung und Leitmotive dienen. Ich suche nach Kontakt zu meiner wahren Natur durch tiefes innere Schauen. Ich sehne mich nach Ruhe und Kontemplation, in mir und in der Natur. Durch all das erhoffe ich mir mehr Erdung und Zentriertheit. Manchmal suche ich in alldem auch nach Gleichgesinnten.
Entspricht das nicht so ziemlich genau dem, was Menschen in einer Glaubensgemeinschaft suchen? Insofern könnte man sagen, das Pilgern ist meine Form der Religion und der Jakobsweg die Kirche.