Mit Disziplin und Routine gegen Unlust

von Katja Härle

27. Mai 2025

27.05.2025 – Bach nach Cahors 26 km

 

Was machen, wenn die Motivation und der Spaß an der Sache fehlt?

Nein, nein, nicht dass mir das Pilgern mittlerweile zur Last geworden ist, aber ja, natürlich gibt es am Tag auch mal Motivationslücken – um es mal so auszudrücken. Und zugegeben, gestern dachte ich tatsächlich darüber nach, ob dies mein letzter Camino wird. Irgendwie sinnig, wenn man bedenkt, dass ich mit diesem Weg meinen großen Jakobsweg von der Haustüre nach Santiago abschließe. Der Gedanke nach „dem Letzten“ kam ganz unvermittelt und überraschte mich ebenso. Und um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob da was dran ist.

Das weiß man ohnehin erst hinterher.

Denn schon Søren Kierkegaard, ein dänischer Philosoph, sagte so klug:

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.

Insofern mache ich mir jetzt mal darüber keinen Kopp.

Aber zurück zum Thema. Was hilft also, wenn gerade keine Motivation oder Freude vorhanden ist? Dann hilft Routine und Disziplin, auch das lehrt mich mehr und mehr der Jakobsweg. Ganz speziell dieser: Frank und ich grooven uns so langsam im Vanlife und Pilgern-Arbeiten ein. Ich kümmre mich um Stellplätze für die Nacht und mache morgens das Frühstück für uns beide, während er bereits beginnt, zu arbeiten. Dafür kümmert er sich um einkaufen, Hanny von Stellplatz zu Stellplatz bewegen, Wasser auffüllen, die Toilette entleeren und dabei noch einen 8 Stunden Arbeitstag absolvieren – während ich durch die Gegend laufe 😬 Kommt da jemand vielleicht der Gedanke, dass es ungerecht verteilt ist?

Also mir beim Aufschreiben gerade schon. Eigentlich müsste ich ihm abends eine Massage verpassen und nicht er mir 🤔

Naja, lieber nicht vertiefen. Wie heißt es so schön? Never change a running system 😂

Mal im Ernst: die Arbeitsteilung mag gerade etwas ungleich sein. Das Wichtigste dabei ist doch, dass es sich für uns gut anfühlt. Und so habe ich, wie bereits schon mal erwähnt, meinen Alltag ein Stück weit mit auf den Jakobsweg gebracht. Und diese Routinen, die wir zwischenzeitlich mehr und mehr etabliert haben, helfen mir, wenn gerade Motivation und Freude fehlt.

Wie ist das jetzt zu verstehen?

Zum Beispiel wenn ich beim Pilgern merke, ich werde bockig, unwillig, unlustig, dann konzentriere ich mich nur auf einen Schritt nach dem andern. Ich mache eben, was gerade zu tun ist, nämlich gehen und versuche meine Gedanken, die mir das Leben bzw. das Gehen nur schwerer machen, beiseite zu schieben. Denn helfen tun sie mir in dem Moment auf jeden Fall mal nicht.

Unser Stellplatz der letzten, erneut sehr ruhigen Nacht. Hinten steht unser Hanny und vor uns ein Belgier.

Ich starte meinen Lauftag kurz nach 8:30 Uhr.

Fehlte noch: Schattenspiel am Morgen.

Wegweiser

Nach ca. 14-15 km kommt wieder diese Zähigkeit über mich. Meine Gedanken werden zäh, ich kriege schwere Füße, stolpere deshalb öfter und mein Blick verengt sich. Jetzt wird es anstrengend. Weg ist die Freude am Gehen, die Motivation, das Weshalb bzw. der Sinn zu Pilgern. Hier hilft mir nur Routine, die Gewohnheit. Und dafür braucht es Dranbleiben, Disziplin. Das hat für mich viel damit zu tun, trotzdem weiterzumachen, auch wenn sich Zweifel einstellen, mein Kopf mir weismachen will, es besser nicht zu tun. Vielleicht kennst du das als Schweinehund, wenn sich Gedanken in dir melden, die dich z.B. vom Sportmachen abhalten wollen. Die Gedanken wegschieben und einfach anfangen bzw. in meinem Fall einfach weiterlaufen. Das ist das ganze Geheimnis von Disziplin. Dann kann sich Routine überhaupt entwickeln. Hilft wirklich. So habe ich es geschafft, mir eine Morgenroutine aus Sport und Meditation aufzubauen. Und natürlich geht das vor allem gut, wenn der kommende Schritt nicht allzu groß ausfällt. Wer sich gleich 1-2 Stunden Sport machen vornimmt, läuft eher Gefahr zu scheitern, als wenn du mit 10-15 Minuten anfängst. Da lohnt sich das darüber nachdenken nämlich nicht 😉

Also gehe ich einfach weiter, trotz schwerer Füße, werde halt etwas langsamer und mache mal Pause.

Frühstückspause mit Weggabe 🙂

Heute viel Wald- und Wiesenwege mit wenig Infrastruktur – nur eine Crêpeterie-Einkehr bei km 16 und später noch eine Einkehr bei km 21 (jeweils alleinstehende Häuser am Weg – ich nehme an unterhalten von deren Bewohner; Öffnungszeiten also ungewiss). An ausreichend Proviant denken.

Kleine Zwischenpause mit Gesellschaft

Oben leuchtend blau…

…auf der Unterseite überraschend anders.

Das Pilgern auf dem Jakobsweg ist für mich der Inbegriff für sich-reinfallen-lassen in die Einfachheit von Gewohnheiten und Routinen.

Normalerweise neige ich dazu, schnell gelangweilt zu sein, wenn der Glanz des Neuen von einer Sache oder auch einer Person abgefallen ist. Durch das Pilgern lerne ich, wie beruhigend Routinen und Gleichförmigkeit sein können. Disziplin ist nämlich – anders als oft von mir gedacht – nicht gerade meine Stärke. Und das Bloggen ist auch so eine Routine, die ich lernen durfte – um ehrlich zu sein, habe ich schon zig mal in meinem Leben angefangen, Tagebuch zu schreiben und es nie über vielleicht 2-3 Wochen hinaus geschafft. Deshalb bedeutet mir das Bloggen mehr als eine Wegbeschreibung. Das wäre nicht mein Stil, nicht meine Art. Das wirklich Interessante ist für mich die innere Auseinandersetzung, mein innerer Weg.

Auf der Höhe kurz vor Cahors.

Weggabe – der Stein mit dem gelben Pfeil habe ich von einer Pilgerherberge vom oberschwäbischen Jakobsweg. Weit gereist. So bleibt ein Stück meiner Heimat hier.

Cahors liegt mir zu Füßen.

Frank & Hannybal warten bereits – die 2,5 km Teerstraße zum Campingplatz erspare ich mir.

Heute mit Pool.

Unser Stellplatz. Gleich mal ordentlich Wäsche gewaschen.

Etappe 7 – nun habe ich 173 km erpilgert und gönne mir morgen einen Tag Pause. Nun ja, gönnen ist gut: ich arbeite immerhin von 9:15 bis 18 Uhr. Also nicht viel Ruhepause. Und dennoch: meine Füße dürfen sich erholen.

Apropos Füße & Beine:
Ich habe erneut so gut wie keine Blase. Die übliche halt unter meiner ‚Ringzeh‘ am linken Fuß. Sonst nada. Mein rechts Knie hat sich gut eingelaufen, dafür spüre ich das rechte Innenband immer wieder deutlich. Mein linkes Knie – das eigentlich empfindlichere – läuft sich super und ist auch sonst schmerzfrei, allerdings ist es abends dicker als das rechte.

 

Meine zweite Woche auf der Via Podiensis in bewegten Bildern:

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