Zugegeben, diese Podcast-Folge hat es in sich: sie ist lang 😉 und vollgepackt mit Einsichten, Sichtweisen und Erkenntnissen, die mir auf meinem Weg geholfen haben. Profitiere von meiner Geschichte und nimm Dir raus, mit dem Du in Resonanz gehst und verändere alles andere, dass es für Dich passt – weil darum geht’s: finde Deinen Weg!
In dieser Episode erfährst Du, was meinen Burnout ausgelöst hat, welche Anzeichen es gab und wieso ich es trotz diesen nicht geschafft habe, den Burnout abzuwenden. Heute weiß ich, dass meine „Irrwege“ wichtig waren, um auf meinen eigenen Weg zu finden. Ich nehme Dich mit auf meine Suche, was mir Sinn gibt, meine Schwierigkeiten, auch mit Unklarheit zu leben und wie mich das Pilgern dann auf meinen Weg brachte und vor allem, was jede/r daraus lernen kann, ohne selbst pilgern zu müssen.
Wenn Du lieber liest, statt Dir die Audio anzuhören, dann findest Du hier die vollständigen Shownotes:
Ich freue mich auf das heutige Interview, das vielleicht ein bisschen merkwürdig daherkommt.
Denn heute ist mein Interview-Gast vielleicht etwas ungewöhnlich. Mein Interview-Gast bin ich selbst.
Es ist ja ein Kanal von Betroffenen für Betroffene und es wird hier immer wieder Interviews geben mit Menschen, die einen Burnout erlitten haben oder schon mal echt ganz schön heftig in der Krise bezogen auf Stress standen und eine dieser Betroffenen bin ich eben selbst und ich dachte mir, ja warum mich nicht selbst interviewen.
Ich würde einfach sagen, wir starten direkt rein und sagen, hallo Katja, magst du dich mal kurz vorstellen, wer du bist und was du machst?
Ja, hallo von meiner Seite.
Ich bin Katja Härle und ich bin zwischenzeitlich 47 Jahre alt, das heißt, ich bin Jahrgang 1976 und bin Wegbegleiterin und Coach für Menschen, die stressgebeutelt, stressgeplagt sind, Burnout-gefährdet oder bereits einen Burnout erlitten haben und zum Beispiel jetzt wieder zurückkehren wollen in ihren Beruf oder einfach in ihr normales Leben und gerade nicht so genau wissen, wie das funktionieren kann. Ich war das nicht schon immer.
Das heißt ich habe vor circa 8 Jahren mein Leben komplett umgestrickt, nachdem ich selbst einen Burnout erlitten hatte.
Katja, du sagst, zwischenzeitlich machst du das und wir kommen gerne auch da noch mal darauf zurück.
Mich würde ich jetzt erst mal interessieren, was hast du denn bis zu deinem Burnout beruflich ausgeübt?
Ja klar, das erzähle ich gerne.
Ich habe ganz viel Projektmanagement in der Logistik begleitet, also ich war von Anbeginn meines ersten Jobs für Projekte, für globale Kundenprojekte, aber auch Lieferantenprojekte zuständig, was eben hieß, dass ich Logistikkonzepte entwickeln und abstimmen musste mit den betroffenen Werken, Lieferanten und Kunden und diese auch implementieren durfte und das intern wie extern abstimmen und entsprechend umsetzen, dass es dann auch funktioniert.
Das war mein erster Job und das habe ich, denke ich, sehr gut gemeistert.
Ich war relativ schnell wirklich etabliert und auch anerkannt und so ging dann quasi auch – von außen betrachtet – meine Karriere weiter.
Ich habe dann zu einem Automobilhersteller gewechselt, war dort in der Transportlogistik tätig und bin sehr schnell auch in die Führung aufgegangen. Das heißt, ich war in Führungsverantwortung, habe dann ein Team von bis zu zwölf Personen geleitet und war für millionenschwere Projekte zuständig und durfte mit sehr viel Verantwortung, auch mit sehr viel Tragweite agieren.
Was mir durchaus auch Spaß gemacht hat, was gleichzeitig allerdings viele andere Themen mit sich brachte, eben die Sandwich-Position – unter mir Mitarbeiter und über mir andere Chefs. Immer gucken, welche Interessen vertrete ich wie und in welche Richtung. Später hat sich dann ein sehr großer „Global Player“ in unsere Prozesse eingemischt. Der Abstimmaufwand wurde also immer intensiver und größer und das hat mich dann auch dazu motiviert, aus diesem Unternehmen herauszugehen.
Ich wurde dann wieder in einem etwas kleineren Unternehmen ansässig und war weiterhin in der Logistik unterwegs, allerdings jetzt in dem ich IT-Prozesse definierte. Also ich war für die globalen Standards der Logistikprozesse im SAP zuständig und durfte diese weltweit ausrollen, verantworten und entsprechend abstimmen. Was immer mit sehr viel Tragweite, mit sehr viel Druck, auch zeitlicher Natur, und mit sehr viel Interessenkonflikten einherging und mich vor allem auch wieder ein ganz großes Stück vom Mensch entfernt hat. Im Grunde ging es ganz viel um Prozesse, um Standards und weniger um den Menschen dahinter und ich glaube, das war auch ein wesentlicher Punkt, der mich dann in meinen Burnout gebracht hat.
Wow, das ist spannend, das sind wir ja schon mitten im Thema, Katja.
Magst du vielleicht mal darüber berichten, wie war das hinsichtlich deines Burnouts für dich damals?
Also viele berichten von einem Moment X, wo sie gemerkt haben, jetzt geht es nicht mehr weiter oder wo sie einfach plötzlich nicht mehr konnten. War das bei dir genauso und wie hat es sich für dich damals angefühlt?
Also tatsächlich gab es bei mir diesen Augenblick oder Moment X, wie du es nanntest.
Ich war Ende 2015, also über Weihnachten und Silvester in Indien für vier Wochen, habe mir dort wirklich eine schöne, lange Auszeit und Urlaub gegönnt, war in einem Ashram, habe sehr viel Yoga praktiziert und meditiert, war also sehr viel mit mir im Kontakt.
Dann noch auf einer Rundreise im Golden Triangle, also Akra, Dehli und Jaipur mir angeschaut. Ich kam dann vermeintlich total tiefenentspannt zurück aus Indien und begann wieder meine Arbeit und sollte eine neue Kollegin einarbeiten, die mich entlasten sollte, also sprich eigentlich für Unterstützung gedacht war, um mir zu viel Arbeit abzunehmen und letztendlich dann zukünftig mich tatkräftig zu unterstützen.
Und ich habe mich selbst beobacht und gemerkt, wie unglaublich negativ ich war.
Also ich war sehr zynisch und sehr sarkastisch, was die Arbeit betraf, hab ständig irgendwelche Hinweise fallen lassen, die wahrscheinlich auch völlig unnötig waren, um einen Menschen einzuarbeiten und dachte mir da nur so, mein Gott, was muss die für Bild haben, von mir, von dieser Arbeit und von dieser Firma.
Also kam ich mir da selbst so ein bisschen ungerecht vor und hab mich gefragt, was ist denn eigentlich los?
Und zudem habe ich gemerkt, dass ich ein unfassbar hohes Stressniveau bzw. Stresslevel hatte.
Das heißt, egal was passiert ist, jede kleinste Kleinigkeit hat mich sofort megamäßig gestresst.
Ich war sofort „oben draußen“ und mit den Worten, was soll denn das jetzt, warum jetzt das auch noch?
Im Grunde konnte ich das nicht so richtig fassen, weil ich kam ja gerade aus vier Wochen Urlaub zurück und sollte ja, wie schon gesagt, eher tiefenentspannt sein. Und das war überhaupt nicht der Fall.
Das ging dann so circa eineinhalb Wochen.
Ich kann mich genau daran erinnern, wie ich morgens mal aufgewacht bin. Ich glaube, es war ein Donnerstag und ich den Eindruck hatte, ich kann nicht aufstehen, ich kann nicht aufstehen, ich kann nicht in die Arbeit gehen. Ich hatte den Eindruck, ich nenne das immer – ich rede gerne im Metaphern – als stünde zwischen mir und dem Außen eine kilometerdicke Betonmauer, durch die ich mich jetzt durchbeißen oder durcharbeiten müsste, um zur Arbeit zu kommen.
Es fühlte sich so unfassbar unmöglich an.
Und trotzdem war noch so ein ganz kleiner Funke dieses Verantwortungsbewusstseins in mir.
Ich muss erst mal gucken, ob ich heute wirklich krank machen kann und habe in meinem Terminkalender geprüft, ob ich nicht doch irgendein Termin drin stünde, den ich nicht meinen Kollegen aufhalsen konnte.
Keine Ahnung, ob es so einen Termin hätte geben können.
Also ich kann mich noch dunkel daran erinnern, dass ich Termine hatte, aber die habe ich offenbar alle als nicht so schlimm empfunden. Und ich habe dann krankgemacht und bin dann direkt zu einem Psychiater gegangen.
Also das heißt, irgendwie war mir klar und bewusst, körperlich ist es jetzt nicht. Mir fehlt jetzt irgendwie nichts körperlich, ich bin nicht „krank“ oder erkältet.
Aber mir geht es psychisch sehr schlecht und ich brauche Hilfe.
Und das war total geprägt von diesem Ansinnen: Ich gehe jetzt zum Facharzt, also dem Psychiater, und da gibt es dann so Pillen und dann geht das schon wieder. So. Und mit dieser Haltung bin ich dann zum Psychiater gegangen. Ich habe zum Glück auch schnell einen Termin gekriegt. Und der Dame habe ich das dann alles genau so erklärt.
Sicherlich nicht so Spannungsgeladen und Energiegeladen, wie ich jetzt spreche, sondern ich habe mich damals selbst sehr, wie soll ich das nennen, ohne Spannung wahrgenommen. Es war alles so seicht. Im Grunde das, was jetzt sehr bewegt ist – und ich spreche in der Regel ja schon sehr bewegt und auch mit entsprechenden Intonationen – davon war überhaupt nichts da. Es wirkte eher wie Nulllinie. Keinerlei Erregung mehr.
Es war einfach alles fast wie tot in mir.
Und ich habe ihr dann geschildert, wie es mir geht, was ich von ihr möchte und, dass ich in zwei Wochen geschäftlich nach Japan und bis dahin wieder funktionieren muss. Gott sei Dank und glücklicherweise – ich kann wirklich nur jedem wünschen und hoffen, dass es ihm ähnlich geht, wobei ich genügend Geschichten kenne, die anderes sagen – dass du an einen ähnlichen Menschen geraten magst wie ich, der dir in diesem Moment sagt, wo du wirklich stehst und was dir jetzt wohl eher helfen würde, als nur Pillen einzuwerfen und schnell wieder funktionieren zu wollen.
Sie wies mich dann darauf hin, dass es so nicht funktionieren wird und dass auch die Pillen so, wie ich mir das denke, gar nicht wirken würden und dass sie mich jetzt erst mal für drei Wochen krank schriebe. Ich bin dann raus, nahezu geschockt.
Ein großer Teil in mir wusste, dass sie recht hat, dass es so nicht geht und dass es auch gar nicht der Weg sein kann.
Und ein anderer Teil in mir war einfach so geschockt, weil – und das ist, was für mich einen Burnout ausmacht – das Selbstbild völlig auseinander fällt.
Also das, was ich von mir bis dahin gedacht habe, dieses „Ich pack alles, ich krieg alles hin, es ist für mich alles irgendwie kein Problem, ich bin ein Stehaufmännchen und es war immer alles im grünen Bereich“, funktionierte nicht mehr.
Dieses Bild von mir war nicht mehr real und das hat mich im Grunde auch ein Stück weit depersonalisiert.
Und das erste, was ich dann gemacht habe, war, ich habe mit meiner Familie gesprochen, die genauso erschüttert waren und entsetzt waren wie ich, weil eben genau das gleiche dort passiert ist wie in mir selbst. Die kannten die Welt ebenso wenig nicht mehr, weil sie gedacht haben, waaaaas, das ist doch nicht Katja und Katja, das kann doch nicht wahr sein? Das habe ich mehrfach gehört aus meinem Umkreis. Was du????
Gerade die sind es meistens, das kann ich auch schon mal von vorne rein sagen, weil bei vielen Menschen tatsächlich ein Burnout sich anbahnt über lange Jahre und es dann tatsächlich irgendwann kippt und entweder es wird dann für alle spürbar und sichtbar und für einen selbst auch oder es gibt diesen klassischen Knall wie bei mir und dann fallen alle aus allen Wolken, dein Umfeld und du selbst und so war das bei mir tatsächlich auch.
Ja, ich bin dann zu Hause geblieben, tatsächlich, ich habe mich dann durchgerungen, nachdem ich mir mehr oder weniger von allen Seiten noch das Okay geholt habe.
Spannenderweise habe ich das echt gebraucht, das war es dann tatsächlich auch.
Ich bin dann – und zwar nicht nur diese drei Wochen – zu Hause gewesen.
Okay, wow, danke für den interessanten Einblick.
Also bei dir gab es wirklich diesen Moment X und du sagtest gerade eben, dass es ein Stück weit Depersonalisierung für dich bedeutet hat.
Da möchte ich gerne nochmals drauf eingehen und dich fragen, was ist für dich eigentlich genau ein Burnout?
Wie würdest du beschreiben, was ein Burnout ist und ist es wirklich etwas, was so ganz ad hoc auftritt und jeden und alle überrascht oder gibt es da vielleicht auch Anzeichen, die davor schon eine klare Sprache sprechen?
Wie würdest du das beschreiben?
Ja, das ist eine sehr, sehr wichtige und gute Frage.
Was ist ein Burnout und wie kündigt sich ein Burnout an?
Also vielleicht mal vorab, ich habe mich natürlich auch mit Burnout wissenschaftlich und psychologisch ziemlich intensiv beschäftigt und nach wie vor ist Burnout ja keine anerkannte Diagnose in dem Sinne, dass es kein eigenständiges Krankheitsbild ist, sondern wird als Symptom beschrieben und ein Symptom ist letztendlich eine Ansammlung von unterschiedlichen Symptomen.
Spannend daran ist, dass es eine gewisse Schwierigkeit gibt, Burnout wirklich richtig zu greifen, weil diese Symptome, die da auftreten, also so was wie du bist nicht mehr am Stande, dann Alltag zu gestalten, du hast eine gewisse Form von Ermüdung, Müdigkeit, Erschöpfung, Sinnlosigkeit, Gedankenkarussell und so weiter und sofort, sind eben halt oft auch Symptome zum Beispiel einer Depression.
Und das macht es so ein bisschen schwierig, daraus ein eigenständiges Krankheitsbild zu kreieren und definieren, weil es eben sehr große Überlappungen zu anderen Diagnosen gibt. Also unter anderem zu Depressionen, aber auch zum Beispiel zu einer Belastungsstörung oder Anpassungsstörung und das macht es schwierig, Burnout wirklich so richtig zu greifen und zu definieren.
Alles, was jetzt kommt, ist meine Haltung und auch meine Sicht auf die Dinge, die ich mir im Laufe der Jahre und auch aus meinem eigenen Erleben und dem Erleben meiner Klienten und Mitbetroffenen gemacht habe.
Also bitte nicht das Gesagte als „so ist es und nicht anders“ nehmen, sondern es soll einfach nur helfen, besser zu verstehen, was Burnout aus meiner Sicht ist.
Für mich ist Burnout tatsächlich etwas, dass sich zum einen über lange Jahre hinweg aufbaut.
In den ganz wenigen, wenigen, wenigen Fällen mag das vielleicht so sein, dass durch ein Erleben ein Burnout ad hoc ausgelöst werden kann. Per se glaube ich, dass es in den allermeisten Fällen ein langer, langer Prozess ist, der sich über Jahre, oft sogar über Jahrzehnte hinweg aufbaut.
Ich würde es so erklären – mal ganz einfach über folgendes Bild: Stell dir vor, du bist ein Akku, also eine Batterie, eine wiederaufladbare Batterie, ein Akku.
Und wir haben eine gewisse Kapazität an Energie, die wir vergeben können.
Hinzu kommt, dass Menschen, die einen Burnout erleiden oder Burnout gefährdet sind, gewisse Leitmotive, innere Antreiber haben, wie zum Beispiel „Ich muss mich besonders hart anstrengen“ oder „Das Leben ist nicht leicht, sondern es muss hart erkämpft werden“ oder „Ich muss perfekt sein“, „ich bin nicht gut genug“, „ich muss immer die Beste sein“. Also irgendwelche Antreiber, die eben diese in Anführungsstrichen normale und geprägte Leistungsmotiv, das wir ja letztendlich alle haben, also wir werden alle zu Leistung erzogen, zu guten Noten erzogen, das dem Ganzen noch eine Krone aufsetzt, es noch besser zu machen, dich noch mehr anzustrengen. Gut ist nicht gut genug, sondern es muss perfekt sein.
Und perfekt heißt, besser geht immer.
Letztendlich ein Perfektionist ist nie befriedigt, weil er hätte immer noch besser sein können.
Und das ist so ein bisschen auch die Krux: Diese inneren Leitmotive sind im Grunde alle unbewusst. Sie sind irgendwann in grauer Vorzeit, also in der Kindheit geprägt worden. Und nun sind sie uns nicht mehr bewusst, dass diese Leitmotive in uns wirken, zumindest größtenteils sind sie uns nicht bewusst.
Und die sind letztendlich so starke Antreiber, dass sie uns immer, ja ich sage mal, immer in die Höchstform bringen.
Also wir wollen immer das Beste aus uns rausgeben. Das ist per se ja erst mal gar nicht schlecht, ein bisschen Ehrgeiz schadet ja nie.
Allerdings verlieren wir auch jegliches Maß.
Das heißt, um nochmal zurück zu kommen auf diesen Akku, auf diese Energie, die wir haben, wir laufen immer oben am Limit.
Das heißt, wir geben immer alles. Und das geht eine Zeit lang gut. Das heißt, wir geben die komplette Energie, die wir haben, spenden wir raus und geben raus und sind am Abend vielleicht leer, können uns über den Abend hinweg wieder größtenteils aufladen, über den Schlaf und können am nächsten Tag wieder Vollgas geben.
Irgendwann merken wir, dass der Schlaf nicht mehr ausreicht und wir uns dann eben das Wochenende herbeisehnen.
Dann muss es das Wochenende sein.
Dann brauchen wir schon vielleicht zwei, zweieinhalb Tage, um uns wieder einigermaßen aufzuladen.
Und es geht soweit, dass wir merken, jetzt sehnen wir uns nach dem Urlaub und dann brauchen wir allein schon eine Woche des Urlaubs, um überhaupt runterzukommen und wieder so ansatzweise ein normales Energieniveau zu bekommen und wieder ansatzweise am wirklichen Leben teilzunehmen. Und das muss man sich vorstellen, geht jetzt über Jahre.
Das heißt, wir haben eigentlich ständig den Zustand – wenn Menschen, die einen Burnout erleiden, genau hinschauen, werden sie das auch an sich selber erkennen – dass wir eigentlich ständig Erschöpfungsymptome haben, ständig irgendwie merken, wir sind immer erschöpft, immer erschöpft.
Wir kommen abends nach Hause und sind völlig erschlagen.
Und es zieht sich über Jahre bis irgendwann der Akku so dermaßen ausgenudelt ist, dass er dir einfach den Stecker zieht.
Im Grunde kann man sagen, ein Burnout ist in gewisser Weise eine absolute Kapitulation deines gesamten Systems.
Nichts geht mehr. Und deswegen empfinden das auch manche als ein Moment X, wo tatsächlich jetzt nichts mehr geht. Z.B. wenn es dieses ganz simple Morgens Aufstehen und Zähne putzen sein sollte, es geht einfach nichts mehr.
Ein Burnout ist für mich eine Kombination aus einer gewissen Persönlichkeit – sprich inneren Leitmotiven, also zum Beispiel ein Glaubenssatz, der dich antreibt, immer das Beste, das Maximale zu geben – und dem, dass wir unsere eigenen Grenzen nicht mehr wahrnehmen.
Wir gehen also quasi ständig über eigene Grenzen hinweg und sind immer am Maximum unseres Energielevels.
Wir geben immer das Maximum, haben also jegliches Maß verloren an, was ist denn ein normales Maß von, dass ich quasi ohne Probleme und ohne erschöpft zu sein, geben kann. Das haben wir völlig verloren. Und das geht über Jahre hinweg und wir erkennen auch nicht, dass es immer wieder Zeichen gibt.
Ich würde mal behaupten, es gibt wahrscheinlich keinen Menschen, der einen Burnout erfährt, so wie ich es jetzt gerade beschrieben habe, also über lange Jahre hinweg aufgebaut, der nicht irgendwelche Zeichen kriegt.
Also körperliche Symptome, psychische Symptome, beides. Aus meiner Sicht gibt es das nicht.
Okay, also das heißt, du würdest also sagen, dass es auf jeden Fall erkennbar ist, dass man auf einen Burnout zusteuert und dass man vorher schon merken könnte, ah, hier läuft etwas aus dem Ruder, man müsste etwas ändern oder umlenken, würdest du also sagen, man kann das erkennen und abwenden?
Ja, so einfach ist es tatsächlich nicht.
Ihr kennt bestimmt den Spruch, das Leben lässt sich nur vorwärts gehen und im Rückspiegel, das heißt rückwärts betrachtend, verstehen.
Wahrscheinlich schon mal gehört.
Ja.
Und das ist eben hier auch wichtig, denn vieles, was ich heute so ganz klar präsentieren und erzählen kann, war mir damals in der Situation natürlich nicht bewusst und klar. Ich würde das vielleicht nochmals so erklären: für mein Verständnis gibt es eben das Unbewusste, wo einfach ganz viele Dinge begraben liegen und die uns tagtäglich das Leben so ein Stück weit vielleicht auch erleichtern, aber halt auch im Autopiloten ablaufen lassen. Da liegen zum Beispiel auch unsere ganzen Glaubenssätze und Leitmotive drin, die uns in der Regel nicht bewusst sind, die zutiefst in uns geprägt sind und die unsere Handlungen tatsächlich motivieren und auch steuern.
Also das gibt es das Unbewusste, wo man immer noch sagt, das ist der Großteil dessen, also viele Sachen sind uns eben nicht bewusst und das Bewusste.
Und aus meiner Sicht gibt es zwischen diesen zwei Bereichen – Unbewusstes und Bewusstes – noch den Bereich der Ahnung.
Das kann man sich so vorstellen, dass die Dinge, die mir nicht bewusst sind, also die ich mir noch nicht bewusst vor Augen geführt habe, die kann ich nicht bemerken, die kann ich nicht betrachten. Etwas, was ich mir bewusst vor Augen geholt habe, kann ich eigentlich nicht mehr wegblenden, weil es steht genau vor mir oder ich kann schon, aber es ist mit deutlich mehr Aufwand verbunden, das jetzt wieder zu verdrängen und einfach zu missachten.
Es gibt allerdings Dinge, wo sich so Splitter oder dünne Fäden aus dem Unbewussten in unser Bewusstsein schleichen.
Also Dinge, die immer wieder mal wie so ein Gefühl von Ahnung, von, wenn wir so hinschauen und hinspüren, dann merken wir, eigentlich habe ich das schon längere Zeit geahnt, ein bisschen dieses klassische, ich habe schon lange Zeit gemerkt, dass irgendwas in unserer Beziehung nicht stimmt, bevor es dann wirklich zu einem Fiasko kam im Sinne von, jetzt weiß ich, dass meine Partnerin schon seit zwei Jahren fremd geht.
Also es gibt so Situationen, die wir alle kennen, wo wir etwas schon lange ahnen, allerdings uns nicht bewusst vor Augen steht.Und ich glaube, da liegt sehr viel darin, auf diesen Bereich zu achten, das ist vielleicht die Goldgrube.
Was will ich damit sagen?
Ich habe zum Beispiel in meiner Zeit vor dem Burnout definitiv Symptome gehabt und auch klare Hinweise, dass etwas nicht stimmt und dass ich, wenn ich nicht aufpasse, damit vielleicht gegen die Wand fahre.
Das heißt ja dann eigentlich, Katja, dass im Grunde man es schon im Vorfeld spüren und merken kann, wenn wir uns denn diese Dinge, also diese Symptome bewusst machen und da wäre jetzt zum Beispiel die Frage, welches Symptome hattest denn du und woran hättest du es denn merken können?
Zum einen, ich kann mich daran erinnern, wie ich in 2011, also tatsächlich über fünf Jahre vor meinem Burnout, schon ein Coaching-Programm hatte oder an einem teilgenommen habe und wir, also ich und der Coach, uns relativ schnell mit der Frage beschäftigt haben, was gibt mir eigentlich Sinn im Leben bzw. im Beruf und was möchte ich denn machen?
Wir haben uns damals schon sehr intensiv auch mit dem Thema der Selbstständigkeit auseinandergesetzt.
Ich kann mich noch dran erinnern, wie der Coach zu mir gesagt hat, also Frau Härle, Sie sind überhaupt gar keine Arbeitnehmerin, sie sollten selbstständig sein. Offenbar schien ich ein sehr unangepasster oder besser gesagt ein sehr freiheitsliebender Mensch zu sein, um es mal positiv ausdrücken, was auch stimmte. Und gleichzeitig war für mich diese Frage, was möchte ich denn machen, unfassbar schwer zu beantworten.
Ich steckte so sehr im Bekannten fest, dass ich mir tatsächlich nichts als das vorstellen konnte.
Klar haben wir uns über Alternativen und über Möglichkeiten unterhalten und trotzdem konnte es bei keinem wirklich Klick in mir machen. Und das war für mich echt ein Thema. Es war für mich wirklich schwierig zu sehen und zu erfahren, dass ich unzufrieden bin, dass ich mit einer latenten Unzufriedenheit zu kämpfen habe und irgendwann später auch mit einer latenten Aggression, ich also ständig ein ziemlich hohes Stresslevel in mir hatte, und dass ich trotz allem keinen Ausweg finden konnte.
Ich habe größte Demut und auch Vertrauen darin und zum Leben, dass ich denke, all das war für etwas gut.
Es war mein Weg und es hat einfach so sollen sein. Und ich weiß einfach heute, dass ein gewisser Leidensdruck notwendig ist, damit wir Menschen uns aus unserer Komfortzone bewegen. Also es war augenscheinlich noch nicht genug des Leidens, als dass ich mich wirklich schon hätte aus dieser Bekannten, aber doch nicht ganz so schönen und glücklichen und zufriedenstellenden Situation hätte herausbewegen können.
Ich hatte dann irgendwann einige Zeit später tatsächlich schon so etwas wie so eine Mini-Erschöpfung und war damals auch in therapeutischer Behandlung. Ganze acht Sitzungen habe ich mir gegönnt und dann dachte ich, ja alles klar, ich bin wieder darüber hinweg. Also jetzt weiß ich wieder, wie es weitergeht.
Und innerhalb dieser Sitzungen kam vor allem eines raus: Ich habe es mir zu eigen gemacht, To-Do-Listen zu führen, auch dort, wo es überhaupt gar keinen Sinn machte. Viele meiner Arbeiten kannte ich ja ohnehin. Wenn ich jetzt mal das private Umfeld nehme, ich habe mir dann To-Do-Listen gemacht, was alles zu reparieren und aufzuräumen und auszusortieren ist und habe dann immer fleißig draufgeschrieben und immer wenn ich irgendwas weggestrichen habe, sind mir gleich wieder drei oder vier oder fünf neue Sachen eingefallen. Infolge dessen sind meine To-Do-Listen anstatt immer weniger, immer voller geworden und das hat mich megamäßig gestresst. Das habe ich dann einfach abgeschafft.
Weil meine Arbeit und meine Aufgaben und das, was ich machen will, was ich noch zu putzen und aufzuräumen habe, weiß ich ja ohnehin, ich sehe es ja jeden Tag.
Es kann also auch manchmal sinnvoll sein, die Sinnhaftigkeit durchaus zu hinterfragen, was davon alles wirklich notwendig ist, sich vor Augen zu führen.
Das war eine Sache, die ich erlebt habe und gleichzeitig war das einfach noch nicht ja gravieren genug.
In 2014, also gut ein Jahr vor meinem Burnout, hatte ich aus heiteren Himmel eine sogenannte Darmperforation.
Wirklich aus heiteren Himmel. Ich bin nachts aufgewacht und hatte Schmerzen im Unterbauch, die ich überhaupt nicht zuordnen konnte, so ein Brennen und ein Kniepern und Kneifen und das zog sie dann über zwei, drei Tage hin, weil mein Hausarzt das Ganze eher verunglimpft mit einem Magen-Darm-Infekt diagnostiziert hatte, bis ich dann tatsächlich in die Notaufnahme musste, mit sehr hohen Entzündungswerten. Da wurde dann letztendlich festgestellt, dass ich eine Darmperforation hatte, eine glücklicherweise gedeckte Darmperforation, was heißt, dass der Stuhl eben nicht in den Bauchraum ausgetreten ist, sondern in den Fettschichten des Darmes eingekapselt wurde, weshalb dies letztendlich und glücklicherweise nicht zu einem nahezu tödlichen Vorgang geführt hat, sondern eben nur zu einer höchst unangenehmen Bauchferllenzündung. Das ist zwar super schmerzhaft und sicherlich irgendwann dann vielleicht auch schwierig werden kann, aber Gott sei Dank wie in meinem Fall nicht zum Tod geführt hat. Das konnte dann antibiotisch behandelt werden, allerdings nicht ursächlich. Denn man wusste nicht wirklich, woher es kam. Man hatte nur Vermutungen angestellt und gesagt, na ja, das kann schon mal sein und kann schon mal passieren, dass sich da eine kleine Falte irgendwie entzündet und sich ein kleines Loch bildet.
Mir fiel allerdings relativ schnell ein netter Spruch dazu ein, nämlich der: mein Magen, mein Bauch, mein Darm, meine Gedärme haben sich halt auch mal bemerkbar gemacht.
Ja, so weit, so gut. Einen witzigen Spruch hatte ich auf Lager, allerdings überhaupt nicht die Einsicht etwas zu ändern, offensichtlich.
Das einzige, was damals so als Impuls kam: ich wollte mir unbedingt etwas kaufen, was mich daran erinnert. Das war mir offenbar ganz wichtig. Und so bin ich damals losgegangen und wollte mir eine Halskette kaufen. Ich war eigentlich nie ein Halskettentyp und trotzdem ich wollte mir eine Halskette kaufen, die ich immer tragen kann und die mich daran erinnert, weil es war für mich schon etwas sehr Einschneidendes, plötzlich aus heiterem Himmel eine solche doch heftige Erkrankung zu haben, die ja auch lebensbedrohlich sein kann. Das hat mich durchaus an das erinnert, dass eben nicht alles selbstverständlich ist in meinem Leben. So habe ich mir damals also meine Kette gekauft, die ich auch heute noch um den Hals trage: die liegende Acht, also Infinitiy für die Unendlichkeit.
Ein gutes halbes Jahr später kam dann der Bruch mit meinem damaligen Mann. Wir haben uns getrennt, weil es Unstimmigkeiten gab, die wir nicht überwinden konnten. Und das hat dann nochmals ganz stark an meinem ohnehin schon tönernen Fundament gerüttelt. Sicherlich auch ein wesentlicher Bestandteil dessen, warum es dann zum Burnout kam.
Wir hatten im Anschluss noch einen freundschaftlichen Kontakt und sogar meinen Geburtstag im November gemeinsam gefeiert. Und von diesem Abend weiß ich nichts mehr.
Also zu ziemlich genau auf den Tag ein Jahr nach meiner plötzlichen Damperforation hatte ich einen ebenso plötzlichen Blackout, einen Hirn-Aussetzer.
Ich kann das nicht anders beschreiben, es war einfach so, dass ich von diesem Abend von jetzt auf nachher nichts mehr weiß.
Mein Ex-Mann hat es dann so beschrieben, dass ich plötzlich sehr desorientiert gewesen sei, leise und sehr langsam gesprochen und mich merkwürdig verhalten hätte, also sehr zögerlich im Gehen und im Ausdrücken. Er wäre letztendlich auch verwundert gewesen, aber dadurch, dass ich quasi voll ansprechbar war und auch im Grunde nicht irgendwelche Lähmungserscheinungen gezeigt habe, hätte er sich eben nicht bewogen gefühlt, einen Arzt zu rufen. Ich hätte wahrscheinlich einen gerufen an seiner Stelle.
Nun denn, er hat es nicht gemacht. Ich wurde dann danach komplett neurologisch abgecheckt und letztendlich ohne Befund entlassen, die Erklärung meines Neurologen war: Nun denn, es gibt schon tatsächlich diese Umstände, wenn das Hirn unter sehr viel Stress oder unter sehr vielen Einflüssen und Eindrücken stand, dass es eben in dieser Phase des, wenn es wieder ruhiger wird, tatsächlich auch mal entscheiden kann, oh, ich schalte mich jetzt mal komplett ab, ich brauche mal kurz ein Shutdown.
Er nannte zum Beispiel eine sehr reizüberflutende sprich hormonell überflutende Situation, wenn Menschen einen extrem orgasmischen Sex haben, also mehrere Orgasmen hintereinander und damit den Körper mit Hormonen und mit entsprechenden Impulsen und Reizen fluten, dass dann das Hirn danach sich einmal runterfährt. Er erklärte also, dass es so etwas geben kann – wie das medizinisch fachlich genau heißt, weiß ich nicht mehr, ist vielleicht aber auch nicht wichtig. Am Ende war es auch hier ohne wirkliche Erklärung. Möglicherweise war es, weil ich sehr viel Stress empfunden habe, durch die Trennung von meinem Mann, durch meine Arbeit und so weiter und so fort.
Letztendlich war es dann auch da wieder so, es kam relativ schnell ein Spruch aus mir heraus, der die Sache klarmachte, nämlich:
Ja, mein Kopf hatte einfach mal keine Lust von dieser Übergebühr-Verwendung meinerseits und hat mal einfach „tschüss“ gesagt.
Schön, dass ich trotz allem nicht wusste, was ich jetzt damit anstelle.
Worauf will ich also hinaus, wenn ich das sage?
Es gibt in der Regel genügend Symptome. Und wie dürfen es schaffen, während dieser Zeit eine Bewusstsein in uns zu bringen, achtsam hinzugucken, was ist denn da eigentlich los, und vor allem zu erkennen, dass es zum einen erst mal darum geht, echt mal einen Gang runter zu schalten, also nicht noch weiter zu drehen. Ich habe ja gemerkt, es stimmt etwas nicht. Ich habe irgendwo ständig nach der Sinnhaftigkeit in meinem Leben gesucht. Ich war ständig irgendwie unzufrieden, unglücklich, wahrscheinlich kennen das hier viele Menschen und erleiden trotzdem keinen Burnout. Bei mir kam halt hinzu, dass, wenn ich genau hinschaue, ich von Überlastung sprechen kann, dass ich einfach gemerkt habe, ich bin eigentlich ständig gestresst. Wenn ich sage, ich habe das gemerkt, dann lag es sicherlich eher im Bereich der Ahnung.
Und ich glaube, es ist so wichtig, dass wir die Dinge, die wir ahnen und auch die Dinge, die uns unbewusst sind, dass wir die mehr und mehr in unsere Bewusstsein bringen, dass wir in Kontakt mit uns kommen, hin- und reinspüren, reinfühlen.
Und das stand mir nicht zur Verfügung. Es war einfach nicht da. Ich hatte vielleicht auch nicht die entsprechende Unterstützung oder die Gegenüber, die mir wirklich das so gespiegelt hätten und gesagt hätten: „hör zu, ja, dein Körper will dir etwas sagen und jetzt geht es darum herauszufinden, was. Lass uns doch mal genau hinschauen, was in deinem Leben gerade so los ist und was dich beschäftigt und belastet.“ Und das fand nicht statt.
Das klingt ja irgendwie so in meinen Ohren, Katja, als hätte irgendwie, ja, als hättest du selbst, obwohl du die Symptome wahrgenommen hast, gar nichts tun können, als war das notwendige Element, du nennest es sich selbstbewusst werden, was da los ist, als wäre das einfach nicht zur Verfügung gestanden.
Demzufolge war es unvermeidlich, dass du in den Burnout gelaufen bist, würdest du das so sagen?
Letztendlich ist es so, wie ich es vorher schon mit dem Spruch meinte, wir leben das Leben vorwärts und können es eben nur rückwärts verstehen.
Es ist müßig darüber zu debattieren, was ich hätte anders machen können.
Wenn ich jetzt das vielleicht umforme in die Frage, was kann ich an andere Menschen richten, die vielleicht an irgendeinem Punkt auf diesem Weg stehen und noch nicht einen Burnout erlitten haben.
Also woran kann ich erkennen, dass ich überhaupt Burnout gefährdet bin und vor allem was kann ich tun?
Unterm Sprich würde ich sagen, es spielt vielleicht gar keine Rolle, überhaupt herauszufinden, bis du ein Mensch, der Burnout gefährdet ist oder nicht.
Wenn du diesen Podcast anhörst und wenn du auf dieses Thema gestoßen bist, dann hast du per se ein Thema mit Stress.
Das nehme ich jetzt einfach mal an und davon gehe ich aus. Du würdest dir das alles hier nicht reinziehen und anhören.
Und das ist schon für mich Indiz und Indikator genug zu sagen, hey, schau hin.
Schau hin, was in dir los ist, was wirklich in dir Stress auslöst und lerne dich kennen.
Es führt aus meiner Sicht kein Weg daran vorbei von dieser Außenorientierung, also immer irgendwo andere befriedigen zu wollen, Wertschätzung zu wollen, Anerkennung zu wollen, leisten zu wollen, gut sein zu wollen. Es führt kein Weg daran vorbei, aus dieser Schleife herauszukommen, indem du nicht deinen Blick nach innen wendest. Also anders gesagt, das ist der einzige Weg.
Dein Blick darf sich nach innen richten und darf nach innen schauen.
Was ist da los?
Und ich weiß, viele hören das Thema Achtsamkeit nicht mehr so gerne, weil es ganz schön omnipräsent ist, überall und jeder spricht von Achtsamkeit.
Ich nenn es deswegen auch gerne einfach, sich selbst bewusst werden oder eben selbstbewusst sein zu erlangen.
Genau darum geht es nämlich, in den Selbstkontakt zu kommen, in dieses Spüren, was in mir los ist.
Also raus aus dem Verdrängungsmechanismus, raus aus diesem Ablenkungsmechanismus.
Es geht wirklich darum wahrzunehmen, wie geht es mir eigentlich gerade? Wie fühlt sich mein Körper an?
Wie oft erleben wir eigentlich Verspannungen erst, wenn sie uns richtig drangsalieren und Probleme machen?
Die Verspannungen haben auch schon länger existiert, nur irgendwann werden sie halt gemein und tun weh.
Also dieses wirkliche Wahrnehmung, wie fühle ich mich gerade in meinem Körper?
Wie geht es eigentlich meinem Körper?
Wir sitzen viel, extrem viel, selbst die Menschen, die Sport machen oder dergleichen, haben aus meiner Sicht doch oft nicht ganz so dieses Körperbewusstsein, das ich mir wünschen würde.
Mal ein Beispiel.
Ich habe über Jahre hinweg Yoga gemacht. Ich mache es immer noch und ich habe es auch schon vor meinem Burnout getan.
Yoga ist für mich ein Stück weit eine Haltung einzunehmen wie in der Meditation, mich ganz auf das Hier und Jetzt einzulassen und zu spüren.
Wie geht es meinem Körper gerade?
Wie fühlt sich diese Dehnung, diese Haltung an?
Wie fühlt sich die Position an?
Wie weit kann ich heute gehen?
Wo sind meine Grenzen?
Und wie gehen die allermeisten ins Yoga rein?
Sie machen eine körperliche Ertüchtigung, Gymnastik.
So, dann gehe ich da rein und mache halt einfach eine körperliche Ertüchtigung. Ich mache das mit meiner gleichen Haltung, wie ich meinen Tagesjob gemacht habe. Ich gehe leistungsorientiert rein. Ah, wie weit kommt die neben mir runter? Ach, so weit soll ich reingehen? Also gut, da muss ich noch ein bisschen nachdrücken. Okay, es tut zwar schon ein bisschen weh, egal, ich drück noch mal ein bisschen nach. Das geht schon.
Wir haben einen so hohen Leistungsanspruch und eine so hohe Wertigkeit. Wie schaut es aus? Wie weit komme ich? Ey, das ging letztes Mal aber noch besser. Das muss doch jetzt auch besser gehen.
Wir halten uns andere Werte und Ziele vor Augen, als die, worum es wirklich geht.
Mit dem Augenblick zu sein, mit dem, was jetzt gerade ist und zwar mal tatsächlich ohne es zu bewerten. Nicht, es müsste mehr sein, besser sein, sich anders anfühlen oder was auch immer, sondern einfach mal nur, ah, okay, da ist jetzt Stopp. Gut, dann bleibe ich jetzt da.
Nein, wir legen immer irgendwas drauf. Ein Ziel, ein Ideal, eine Erwartung, eine Vorstellung, was auch immer. Und das heißt, wir können ganz viel tun und trotzdem nichts erreichen und trotzdem nichts daraus lernen.
Wer jeden Tag meditiert und dann im Alltag wiederum völlig in die Unbewusstheit abdriftet, ja, der hat zwar meditiert, aber nichts mitgenommen, nichts gelernt.
Achtsamkeit heißt für mich, ich integriere wirklich dieses Bewusstsein, mich immer wieder einzuloggen, einzuloggen, indem, hey, hallo, jetzt gerade im Moment, wo bin ich gerade, wie geht es mir gerade?
Wow, ich bin gerade fürchterlich gestresst.
Was ist denn gerade los?
Was stresst mich eigentlich gerade?
Wer tut das? Niemand und wir glauben immer alle, wir haben dafür keine Zeit.
So wie ich es jetzt euch gesagt habe, hat es wie lange gedauert? Drei Sekunden?
Diese Zeit hat jeder Mensch.
Wenn wir uns die Zeit nicht nehmen, uns immer wieder mit uns einzuloggen, wo bin ich gerade, wie geht es mir?
Ah, ganz schön verspannt mal die Schultern zu locken, das kostet nicht wirklich Zeit.
Wir nehmen uns die Zeit nicht, weil wir immer wieder ins Unbewusste abrutschen. Ich glaube es ist so unfassbar wichtig, dass wir uns klar machen und dass es uns klar wird, dass alles, was wir im Autopiloten machen, alles was wir im Unbewussten machen, eben ohne wirklich ganz klar drauf zu gucken, was tu ich da gerade, da überhänden wir uns letztlich Gebräuchen und alten Mustern und Strukturen, die in uns eingebrannt sind und das sind oftmals eben keine funktionalen Muster mehr.
Das heißt, die hatten vielleicht mal ihre guten Gründe und jetzt sind sie halt nicht mehr so besonders dienlich, nicht mehr so wirklich förderlich.
Also wenn ich zum Beispiel einen Glaubenssatz habe, ich bin nicht gut genug, dann hat er mich vielleicht mal irgendwie aus was raus gerettet oder irgendwie vor was geschützt und heute treibt er mich eben zu Höchstleistungen an, was bedeutet, dass ich immer und immer wieder über meine Grenzen gehe.
Dieses Bewusstwerden ist für mich das A und O.
Das Schlüssel zu allem ist für mich, sich immer wieder einzuloggen mit sich selbst. Wo bin ich gerade, wie geht es mir gerade, wie fühle ich mich, wie fühlt sich mein Körper an und das wirklich zu kultivieren.
Das kann ich jedem nur an die Hand geben, kultiviere es, werdet dir deiner selbst bewusst, werde wirklich dir deiner selbst bewusst, deines Körpers, deiner Gefühle, deiner Wünsche, deiner Bedürfnisse, werdet dir deiner selbst bewusst.
Und der nächste Schritt ist dann, daraus dann letztlich auch einen Selbstausdruck zu finden. Bring es nach außen. Verkörpere das. „Hey, ich merke gerade, dass ich das nicht auch noch schaffen kann.“ Das heißt, ich kommuniziere meine Grenzen. Und dann ist es schlussendlich egal, ob du Burnout gefährdet bist oder nicht. Es wird dir auf jeden Fall dienlich sein und helfen. Ganz bestimmt. Und vielleicht einen Burnout abwenden, vielleicht einen, den du nie bekommen hättest. Spielt es eine Rolle? Es geht nicht darum, ob ich Burnout gefährdet bin oder nicht und nur im ersten Fall müsste ich das anwenden.
Nein, ich glaube, das ist für alle Menschen essentiell wichtig, sich ihre selbst wieder bewusst zu werden und sich aus sich selbst heraus zu lenken und durchs Leben zu gehen.
Und nicht durch äußere Faktoren. Weil die sind keine guten Diener.
Keiner von außen kann sagen, wie es dir geht.
Keiner von außen kann sagen, wie viel du noch machen und schaffen kannst.
Keiner von außen kann dir sagen, wie viel Energie du noch hast.
Na gut, vielleicht geht es manchmal von außen, das zu spiegeln, aber dann ist es oftmals halt auch zu spät.
Also bitte, bitte, bitte, wende dich dir selbst zu, tauche in dir selbst ein und finde heraus, was das so in dir los ist.
Nur das ist der Weg, der zu Freiheit führt.
Okay, okay, ich glaube, das dürfte jetzt angekommen sein, dass du selbstbewusst sein ganz hoch hängst und dass dir das ein ganz wichtiges Motiv ist, auch mit Menschen zu arbeiten, nehme ich mal an.
Ich möchte gerne noch mal darauf zu sprechen kommen, dass sich ja dann deine Welt ziemlich gewandelt hat.
Was genau ist da passiert und wie hast du denn dann auf diesen Weg gefunden und wie fühlt es sich jetzt für dich an mit all dem Wissen, dass du hast und auch mit dieser Erfahrung eines Burnouts?
Wie gehst du da jetzt mit um?
Erzähl doch einfach mal so: das Leben danach, das Leben mit Burnout.
Es war dann schon so, dass ich lange krank war. Also aus den drei Wochen sind fast neun Monate geworden.
Ich war fast neun Monate krankgeschrieben. Ich war in dieser Zeit in einer psychosomatischen Klinik, wo ich wirklich auch für mich selber gesagt habe, ich möchte ganz raus aus meinem Alltag und jetzt einfach wirklich tief verstehen, was ist da passiert.
Das war tatsächlich etwas, was sehr schnell da war bei mir, dieser tiefe Wunsch, ich möchte verstehen, was da passiert ist und wie das passieren konnte.
Wie konnte ich mich selbst so belügen?
So habe ich es tatsächlich empfunden, dass ich mich Jahre oder sogar Jahrzehnte lang selbst manipuliert habe und mir was vorgespielt habe. Ich habe das dann immer genannt wie, mein Kopf und mein Körper sind quasi wie getrennt voneinander. Ich war sehr stark im Kopf. Zwar hatte ich schon immer eine gute Körperwahrnehmung, also im sportlichen Kontext und ein sehr gutes Körpergefühl und gleichzeitig ist mir so vieles abhanden gegangen an integrativem Erleben. Also das Zusammenspiel aus Körper, Geist und Seele war mir völlig abhanden gekommen und ich konnte einfach nicht verstehen, wie das passieren konnte.
Und so war es mir ganz wichtig, mich auf den Weg zu machen und herauszufinden, was ist da schief gegangen.
Ich habe unfassbar viel auch off-the-record gemacht, also nicht nur das, was mir verordnet wurde, sondern ich habe viel gelesen, Seminare besucht und mir Coachings geleistet und habe aus allen möglichen Positionen und Perspektiven auf mich drauf geschaut.
Manche mochten das vielleicht auch schon als zu viel betrachtet haben.
Mir war es einfach wichtig, ich hatte so einen Durst danach verstehen zu wollen.
Und trotzdem war es dann so, dass ich einfach immer noch nicht wusste, wie soll es denn jetzt weitergehen und bar besseren Wissen bin ich dann tatsächlich wieder zurückgekehrt. Ich habe eine, ich sage jetzt mal klassische Wiedereingliederung, eine berufliche Wiedereingliederung durchlaufen und bin in meinen alten Job zurückgekehrt.
Aber was sage ich euch? Es hat keine drei Monate gedauert und mich hat es wieder rauskatapultiert, wo einfach dann auch wirklich meine Seele gesagt hat: „Sag mal, geht es eigentlich noch? Wie viele Schüsse vor den Bug brauchst du denn?“
Und ja, ich würde mal sagen, es gibt extrem dickköpfige Seelen, die es wirklich hardcore brauchen und ich scheine auch dazu zu gehören. Ich habe wirklich einen richtigen Arschtritt gebraucht.
Das heißt also, ich bin zurückgekehrt, habe versucht meinen Job zu machen und habe relativ schnell erlebt, wie ich mich von außen betrachtete und fragte, was mache ich hier eigentlich? Was mache ich hier eigentlich?
Und begründet war das alles, weil: ich konnte es damals nicht aushalten, diesen Zustand des Nichtwissens.
Ich bin in den letzten Jahren durch so viele Phasen gegangen und habe eine solche Stärke durch meine früheren Erfahrungen erlangt, durch das Erleben eines Burnouts und durch das, was da alles in und mit mir passiert ist. Durch all das habe ich eine solche Stärke in mir etabliert, dass ich merke, diese Schattenzeiten, diese Dämonen in mir, diese Tiefen, die ein Leben ja auch aufbringen kann, eben mal lange Zeit wirklich ahnungslos zu sein, unwissend zu sein, nicht weiter zu wissen, auch keine Antwort zu finden auf die Frage, wie soll es weitergehen, dass auch so ein Zustand vorbeigeht und dass ich den überlebe, dass es ein Moment ist und dass sich manches nicht übers Knie brechen lässt und ich bin bei Gott kein geduldiger Mensch, war ich noch nie.
Und trotzdem war es so, dass ich diesen Weg gehen durfte und auch all das erfahren musste, sage ich jetzt einfach mal, um auch selber zu erstarken und auch selber zu erleben, welche Tiefen das Leben mit sich bringt.
Ich bin dann wieder in die Krankheit gegangen und war dann irgendwie auch so ein bisschen erschüttert.
Das zweite mal war sicherlich anders, das war nicht mehr wie ein Burnout, sondern es war eher eine tiefe Traurigkeit in mir, eine tiefe, tiefe Traurigkeit und da war ich wirklich sehr, sehr nahe daran, keine Antwort mehr darauf zu finden, wieso sollte ich weiterleben.
Also ich hatte suizidale Gedanken. Ich glaube, dass es ganz viele Menschen haben, auch wenn sie sich selber nicht als suizidal beschreiben würden, auch ich habe das nicht, weil ich gemerkt habe, dass es immer noch zwei Dinge in mir gab, die mich ganz intensiv am Leben gehalten haben. Der erste Punkt war die Verantwortung meiner Familie gegenüber, ich glaube, ich hätte das nie meiner Familie antun können. Aber ich glaube, der viel wesentlichere Punkt war und ich denke, dass dies der Entscheidende war:
Dass ich immer noch einen ganz feinen Hoffnungsschimmer hatte: es geht vorbei, es geht vorbei, es wird auch wieder anders.
Und das hat mich aufrecht gehalten. Ich schätze, wenn das auch noch weggegangen wäre, weiß ich nicht, was mit meinem Verantwortungsbewusstsein passiert wäre. Das hat mich tatsächlich oben gehalten, der Glaube, es wird auch wieder anders.
Und mein unbändiger Wille verstehen zu wollen, was ist da los?
Ich denke, das ist auch meine Triebfeder heute.
Ich habe eine unglaubliche und grenzenlose Neugier dieses menschlichen Systems gegenüber.
Was läuft das so ab und was sind so die inneren Landschaften eines Menschen? Und die sind so unterschiedlich und so facettenreich, wie es Menschen gibt.
Das auch für mich selbst zu ergründen, waren ganz wesentlicher Punkte meines Weges.
Und was passierte dann im Folge dessen?
Ich hatte tatsächlich wie so eine kleine Eingebung. Nämlich plötzlich wusste ich, ich muss auf den Jakobsweg gehen, ich muss es noch dieses Jahr machen, ich muss es alleine machen und ich muss von den Pyrenäen starten. Das klingt jetzt nach viel müssen.
Das war allerdings nicht eine außenstehende Macht, die gesagt hat, du musst, sondern es war ein tief brennender Wunsch, ich muss das machen. Und ich wusste das so sehr, obwohl ich mich nie mit Pilgern beschäftigt habe und mich auch nie groß damit auseinandergesetzt habe, es mal selber tun zu wollen. Trotz allem war das so eine klare Weisheit und ein Wissen, dass ich das machen will, dass ich das nicht hinterfragt habe. Und so bin ich dann auf den Weg gegangen und das war für mich absolut das Highlight.
Wenn ich einen Wendepunkt beschreiben müsste, dann wäre es wohl mein erster Jakobsweg, der mich so viel über das Leben gelehrt hat .
Das kann ich jetzt alles gar nicht hier in diesen Podcast packen. Das wäre dann auch eine ganz eigene Geschichte.
Für mich ist tatsächlich Pilgern im Wesentlichen das, was ich jetzt auch meinen Klienten vermitteln möchte.
Im Wesentlichen sind es nämlich drei Schritte, wenn man es ganz einfach subsumieren möchte.
Im ersten geht es um den Körperkontakt. Es geht darum, wieder wahrzunehmen, was im Körper los ist.
Und wenn ich als Pilger mich wochenlang unterwegs mache, habe ich am Anfang sehr, sehr körperliche Konfrontationen, weil mein Körper sich da sehr bemerkbar macht und mir zeigt, wo die Grenzen sind und wo es zwickt und eben auch darauf zu achten, weil sonst ist der Jakobsweg schneller vorbei, als man sich wünschen möchte.
Und das gilt für mich auch für den Lebensweg, die Körpersignale wieder ernst zu nehmen.
Der zweite Schritt ist, mit sich emotional und mental in Kontakt zu gehen.
Letztendlich schwemmt es auf dem Pilgerweg all das, was du in den letzten Jahren unterdrückt hast, nach oben und darf jetzt durchlebt werden. Und das ist auch der einzige Schlüssel.
Du kannst nur durch die Angst durchgehen, du kannst nur deine Gefühle fühlen.
Wegdrücken wird nicht funktionieren.
Das ist ein Grundsatz der Psychologie und der ist schon lange bekannt.
Alles, was du wegdrückst, kommt wieder, verstärkst du nur, bleibt erhalten.
Im Grunde nach dem Prinzip: das was ist, darf sein und was sein darf, kann sich auch verwandeln.
Du kannst es nicht verwandeln, indem du es wegdrückst. Das wird nicht funktionieren. Auf dem Jakobsweg passiert es ganz natürlich und ganz normal, dass die Dinge hochgeschwemmt werden, die lange Zeit im Untergrund gebrodelt haben.
Der dritte Schritt: Du gewinnst neue Perspektiven auf dich, dein Leben, auf das, was dir wirklich wichtig ist.
Ganz automatisch gerät durch dieses lange mit dir sein sehr viel in Bewegung. Also die äußere Bewegung bringt auch eine innere in Gang. Es lockern sich viele festgefahrene Strukturen und du kannst gewisse Dinge mit ganz neuer Sicht, mit ganz frischen Augen betrachten und dir werden Dinge offenkundig. Es kommt zu einer Klarheit, weil du die Dinge mit einer anderen Perspektive wahrnehmen kannst. Und ich glaube, das ist so wesentlich.
Wesentlich ist einfach, dass wir im Kontakt bleiben mit uns selbst, dass wir im Kontakt bleiben mit dem, was in uns los ist, was uns bewegt und dass wir uns immer wieder auch frische und neue Perspektiven gönnen.
Das kann zum Beispiel durchs Pilgern gewonnen werden oder auch durch ein gutes Gespräch mit einer Freundin, mit einer ehrlichen Person, die einem auch mal spiegelt, was so wahrgenommen wird oder eben auch durch einen Coach und Wegbegleiter.
Also es gibt unterschiedlichste Methoden, wie man sich frische Impulse holen kann und wieder neue Perspektiven und Sichtweisen gewinnt.
Das muss nicht immer unbedingt durch ein Coaching oder durchs Pilgern sein.
Da gibt es eben viele unterschiedliche Möglichkeiten.
Und durch das Pilgern habe ich wieder sehr klar und deutlich gesehen, was meine Leidenschaftsthemen sind und immer schon waren. Denn schon mit 14, 15 Jahren war ich leidenschaftlich beim Philosophieren dabei, bei großen Weltanschauungsmodellen. Ich habe mit meinen Religionslehrern heftig diskutiert und habe mich für Psychologie interessiert und wollte ursprünglich eigentlich auch Psychologie studieren, nur dann passierte halt das Leben. Und diese Erfahrung mit mir selber und auch das, wie ich dann mit mir selbst in Kontakt gegangen bin, hat letztendlich wieder meine alten Leidenschaftsthemen aufflammen lassen.
Und dann war plötzlich der Weg klar.
Dann war plötzlich für mich klar, dass ich diesen Weg gehen möchte, Wegbegleiterin zu sein. Ich nenne es gerne Wegbegleiten, weil ich finde es einfach ein schöneres Wort als Therapeut oder Coach. Mir wurde also klar, dass ich eine Wegbegleiterin für andere Menschen sein möchte, die ähnlich wie ich im Leben feststecken und nicht weiter wissen und auch ein Gegenüber zu sein, das aushalten kann, dass es auch mal Stillstand gibt. Und letztendlich dann halt auch zu gucken, wie gehen wir damit um.
Am Ende ist es nämlich so, wir sind so unfassbar am Optimieren. Wir wollen uns ständig irgendwie verbessern, entwickeln, verändern. Im Grunde ist es so, dass wir ganz oft eben eine Veränderung der Jetzt-Situation wollen. Es soll besser sein, wir sollen besser werden. Hoch hinaus, wir haben immer Ziele, wir haben Pläne.
Und am Ende ist es mir wichtig zu sagen, wir lassen eigentlich bei all unserem Wollen, dem Leben ziemlich wenig Raum.
Ihr kennt vielleicht diesen netten Spruch: Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, dann erzähle ihn von deinen Pläne.
Das ist genau das, was das Leben eigentlich beschreibt. Das Leben ist, wie es ist.
Es ist nicht gegen dich, sondern es ist, wie es ist.
Es passieren Dinge und ach ja, viele von diesen Dingen liegen nicht in deinem Planungsvorhaben und sie waren auch nicht das Ziel.
Sie passieren aber trotzdem.
Für mich bedeutet resilient und widerstandsfähig zu sein oder zu werden, genau das anzuerkennen und zu akzeptieren, dass sie Dinge so sind, wie sie sind und letztendlich relativ schnell umschalten zu können und einen Umgang für sich mit der neuen Situation zu finden.
Es geht nicht darum, dagegen zu sein und etwas nicht haben zu wollen, weil das erzeugt Stress. Es ist, wie es ist. Es ist ja schon, wie es ist. Also brauche ich es nicht anerkennen, toll finden oder lieben. Weil es ist, wie es ist.
Also akzeptieren heißt für mich nicht mögen müssen, sondern einfach nur anerkennen, die Situation ist nun mal, wie sie ist, ob sie mir nun gefällt oder nicht. Und dann zu sagen, und wie gehe ich jetzt damit um? Darum geht es. Das ist für mich resilient.
Anzuerkennen, dass das Leben nun mal nicht in unsere Pläne rein spielt, und zwar nicht deshalb, weil das Leben böse und gegen uns gerichtet ist, sondern weil das Leben einfach anders ist. Es verläuft, wie es verläuft. Ohne Wertung, ohne gut oder schlecht zu sein, ohne gegen oder für uns zu sein. Es ist einfach, wie es ist. Das anzuerkennen, bringt, glaube ich, eine große Erleichterung.
Und hinzukommt, dass wir letztendlich dafür verantwortlich sind, wie wir die Dinge bewerten, wie ich mit den Dingen umgehe.
Das ist der große Schlüssel: anzuerkennen, dass alles, was in mir passiert, in meiner Verantwortung liegt, und alles, was außerhalb von mir liegt und passiert, nicht.
Ob es nun regnet oder nicht, das liegt nicht in meiner Verantwortung. Das kann ich nicht ändern. Das kann ich nicht beeinflussen. Was ich beeinflussen kann, ist, wie ich darauf reagiere.
Und darum geht es.
Das war mein Appell zum Schluss.
Ja, danke.
Also zusammengefasst, du sprichst davon, egal, wer auch immer an welcher Stelle steht, wenn er das jetzt hört, dann hat er sicherlich einen gewissen Grund und dann würdest du auf jeden Fall empfehlen, weil es ja auch nie und niemanden schadet: Geh mir dir selbst in Kontakt, weil darum geht es, also weg von dem Außen, von dem, was wird von mir erwartet oder was kann ich tun, damit die andere das toll finden, sondern einfach hinzuschauen. Wie geht es mir gerade? Wie fühle ich mich? Wie fühlt sich mein Körper an?
Die eigenen Werte, die eigenen Grenzen, Bedürfnisse und letztendlich auch Ideale und Sehnsüchte kennenzulernen und danach das Leben auszurichten, ist sicherlich eine gute Prävention, um eben nicht dauerhaft in der Stressspirale zu bleiben oder einen Burnout anzuhängen, sondern eben tatsächlich sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und wie du sagtest, Verantwortung zu übernehmen, für das, wie wir das Leben empfinden.
Und ja, eine gewisse Annahme dessen, was ist, nämlich es ist ja ohnehin schon und sich lieber darauf zu konzentrieren, wie wir damit umgehen, mit dem, was ist, anstatt dagegen zu rebellieren.
Ja, super.
Vielen lieben herzlichen Dank für dieses spannende und auch merkwürdige Interview.
Manchmal kam ich mir schon etwas albern vor, um ehrlich zu sein, aber es hat mir auch unbändige Freude gemacht, vielleicht kam das rüber, euch von meiner Geschichte zu erzählen und von meiner Sicht auf die Dinge.
Da war jetzt, glaube ich, schon ganz schön viel drin.
Ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht, mir, uns – also wer bin ich und wenn ja, wie viele *lach* – zuzuhören und vielleicht auch schon mal eine gute Art, mich kennen zu lernen, dass ich halt nicht unbedingt immer die Dinge tue, die man so erwartet, sondern auch manchmal ganz schön merkwürdige Sachen. Und klar, das muss nicht jedem gefallen.
Ich freue mich, dass du heute dabei warst und bis hierher gelesen hast.
Dir einen wundervollen Tag, wo auch immer du gerade bist und bis zum Wiederhören.
Ciao!