Berlens – Moudon 23,9 km
Ich bin so bezaubert von den Unterkünften, die wir seit Tagen finden und erleben dürfen. Seit wir uns wirklich darauf einlassen, dass wir am Zielort schon etwas finden werden, werden wir noch mehr belohnt, als zuvor schon.
Die Nacht war fein, erneut sehr ruhig – zumindest von äußeren Einflüssen. Frank hat etwas geschnarcht. Er behauptet, ich war‘s. Aber das halte ich für ein Gerücht 😉
Wir starten unseren Tag um ca. 9:15 Uhr. Es bläst ein ordentlicher Wind, der zumindest dafür sorgt, dass sich keine Wolken lange genug über uns befinden, um sich zu entleeren. Und meist ist er gnädig und gibt uns Rückenwind. Denn der Weg ist definitiv keine Schau: Asphalt, Asphalt und noch mehr Asphalt. Und immer wenn ich denke, jetzt biegt der Weg auf bequemere Untergründe ab, verlassen wir diesen wieder auf die nächste Straße. Und ja, zumeist laufen wir auch noch auf befahrenen Landstraßen. Des Pilgers Freud‘.
Dafür schicke ich einige Bestellungen nach oben ab und alle werden erfüllt: ich ordre einen Rastplatz (gut, der steht im Outdoor-Wanderführer), der windgeschützt und überdacht ist, weil der Wind nicht nur heftig sondern auch eisig pfeift.
Frank hat sichtlich Schwierigkeiten mit dem Teerlaufen, klagt über Knie- und Fußschmerzen. Kurzerhand bestelle ich ab dem Fluß Broye nur noch Kies-, Gras- und Feldwege bis Moudon. Dafür gehen wir absichtlich eine Alternativroute, die auch im Outdoor-Wanderführer beschrieben ist. Die Original-Route würde definitiv noch weitere 2-3 Kilometer über Asphalt führen. Soweit beschrieben. Was uns auf der Alternativroute erwartet, wissen wir nicht. Daher meine Order. Und siehe da:
Dem Fluss folgen wir dann für ca. 5 Kilometer bis nach Moudon, wobei sich lange Zeit kaum das Bild ändert.
Um 15:45 Uhr haben wir Moudon erreicht. Nun soll sich Bestellung 3 und 4 einlösen: ich wollte noch auf dem Weg am Supermarkt vorbeikommen. Check. Und dann wünsche ich uns eine Unterkunft in Moudon für max 100 CHF. Wir gehen in die Touristeninformation und bitten die hilfsbereite Dame für uns bei entsprechenden Unterkünften anzurufen. Rumlaufen, um Verfügbarkeiten selbst zu prüfen, ist uns nach 24 Kilometern in den Beinen zu viel und anrufen zwischenzeitlich schwierig. Unser Französisch ist nicht gut genug und viele sprechen hier kein Deutsch mehr. Beim 2. Anruf hat die Dame für uns den Treffer gelandet: eine BnB-Adresse, die ich mir ohnehin schon ausgeguckt hatte, für 70 CHF für 2 Personen. Doch es sollte besser kommen, wesentlich besser.
Als wir an der besagten Adresse keine 10 Minuten später ankommen, erwartet uns Anne.
Doch zuallererst sind wir wieder einmal erstaunt über das schöne Gebäude:
Unser Zimmer befindet sich allerdings im Gartenhaus, dass das Ehepaar vor etlichen Jahren für die Tochter ausgebaut hat. Wir sind abermals sprachlos, wie schön und liebevoll das Zimmer oder besser gesagt das Studio gestaltet ist:
Wir unterhalten uns länger mit Anne, die selbst pilgert und gerne Pilgern eine Unterkunft ermöglicht. Als sie sagt, dass die 70 CHF offiziell gelten, sie aber von Pilgern nichts möchte bzw. nur, was diese geben können, strecke ich ihr die 70 CHF hin mit den Worten, dass das Zimmer diese auf jeden Fall wert sind und wir sie gerne geben. Sie nimmt sich zögerlich die 50 CHF-Note und meint, das wäre mehr als genug und die 20 CHF sollen uns für morgen für etwas Schönes unterwegs bleiben. Ich bin so sprachlos und überrascht, dass mir Tränen in die Augen schießen. Für Anne scheint es eine Selbstverständlichkeit zu sein, so großzügig zu geben. Mich berührt es zutiefst, so viel Herzlichkeit zu erfahren. Wie schön! Ich würde sagen, mein Wunsch wurde übererfüllt.
Also ein guter Tag auf dem Camino, auch wenn der Weg heute nicht zu den schönen Abschnitten gehört.