Chanaz – Yenne 18,4 km
Ich habe sehr gut geschlafen. Kontrastprogramm zu gestern: es war still – abgesehen vom Schnarcheln und Röcheln einer Mitschläferin, was ich durch Oropax gut ausblenden konnte – es war angenehm kühl, Bett war ok, so dass ich schon nach kurzer Zeit eingeschlafen war. Sagenhaft. Morgens bin ich erneut früh wach – kurz vor 6 Uhr – und höre, dass es regnet. Und da entschließe ich mich, noch etwas liegen zu bleiben und dem Plätschern der Regentropfen zu lauschen. Laut Wetterbericht soll es ohnehin in knapp einer Stunde aufhören. Und dieses Mal hat er recht 😉
Da meine Etappe heute nur 18 km umfasst, lasse ich es ganz gemütlich angehen. Daher mache ich erst um 8 Uhr los und auch nur um gleich erstmal für einen Kaffee mit Schokocroissant einzukehren. Was sonst 🙂
Gut gerüstet starte ich dann in den Tag, der bergauf beginnt. Da es nach dem Regen angenehm abgekühlt hat, ist das gut zu meistern.
Gestern beim Blogschreiben überlegte ich noch, was eigentlich mein „Thema des Tages“ war. Also was hatte mich während des Gehens beschäftigt. Ich komme nicht mehr darauf. Heute unterwegs – gleich am Morgen – fällt es mir wieder ein: immer, wenn mir Pilger auf dem Weg begegnen, mich gar überholen, kommt in mir eine merkwürdige Unruhe auf. Insbesondere dann, wenn sie mich überholen und ich sie dann sukzessive aus den Augen verliere. Erst dachte ich, es läge vielleicht daran, dass ich zurückgelassen werde. Doch dann merke ich, da steckt noch viel mehr dahinter: die Angst zu kurz zu kommen, die Sorge, dass sie mir etwas wegnehmen. Dies tritt insbesondere dann auf, wenn ich noch keine Übernachtungsmöglichkeit gebucht habe, was noch verständlich wäre. Dass dieses Gefühl – wenn auch nicht ganz so intensiv – aber auch auftritt, wenn ich bereits ein Bett sicher habe, gibt mir Rätsel auf.
Und ich möchte noch etwas ergänzen, was ich gestern nicht treffend beschrieben habe. Bei der herausfordernden Übernachtung im Gemeinschaftszelt in Seyssel beschrieb ich, dass es besser ist, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann, weil es durch Widerstand nur schlimmer wird. Hier war ich in der Ausdrucksweise etwas unscharf. Was mir eigentlich auffiel: wenn mich etwas stört, drückt sich der Widerstand darin aus, dass ich mich regelrecht darauf konzentriere. Also, ich konzentriere mich auf den Umstand, auf den Aspekt, auf die Situation, die mir im Moment missfällt. Dadurch übergehe ich all die Dinge, die gerade völlig in Ordnung sind für mich. Anstattdessen hänge ich mich an der einen Sache oder an den paar Dingen auf, die gerade nicht ganz nach meinem Gefallen sind. Und genau das ist es, was die Situation noch verschlimmert. Was habe ich also getan? In dieser heißen, unsäglichen Nacht im Zelt habe ich versucht, mich auf all das zu konzentrieren, was gut war. Zum Beispiel darauf, dass ich keine körperlichen Schmerzen hatte, was bei einem Lauftag von 22 km bei Hitze nicht gerade selbstverständlich ist. Ich habe mich darauf konzentriert, dass ich ein Dach über dem Kopf habe. Dass ist sicher gebettet lag, und dass mein Körper, selbst wenn ich jetzt nicht schlafen würde, ausruhen und entspannen kann. Also eine ganze Menge, um zufrieden zu sein. Und was soll ich sagen? Das half wirklich. Ich nehme mir folglich von nun an vor, immer dann, wenn etwas nicht so ist, wie ich es mir wünsche, mich einfach auf etwas zu konzentrieren, womit ich zufrieden bin. Und schon endet der Affenzirkus im Kopf. Probier‘ es aus. Es funktioniert tatsächlich. Und natürlich wird es nicht immer gelingen. Doch immer dann, wenn es gelingt, war es der Versuch wert.
Neben oder mit diesen Gedanken ist es ein perfekter Wandertag 😉 Nicht zu heiß, ein angenehmes Lüftchen geht, die Strecke abwechslungsreich durch Wälder, Weinberge, neben der Rhône, wenig Anstrengung und wenig Strecke. Die bekannten Pilger – das Schweizer Pärchen und die 3 Damen aus Deutschland – gehen es ähnlich entspannt an und so laufen wir uns jeweils heute mehrfach über den Weg. Allesamt schlafen wir heute in Yenne auf dem Campingplatz. Manche in einem gemieteten Wohnwagen, wir anderen im Tipi. Eine Gruppe aus 3 weiteren Pilgerfrauen, die mir heute ebenfalls zweimal begegnet, stößt ebenfalls dazu.
Um 15 Uhr schlendere ich in Yenne ein, einem wirklich zuckersüßen Ort. Zuerst gönne ich mir ein Eis. Das wurde mir von Denise, der Herbergsmutter in Chanaz empfohlen und es ist wirklich lecker.
Nachtrag zum gestrigen Exkurs der Bild-Upload-Problematik: mir fiel zufällig gestern auf, dass das Hochladen von Fotos bei 3G ohne Probleme ging. Erst hielt ich das für Zufall. Allerdings zeigte sich heute beim Bloggen selbes Thema wie gestern – es ging nix. Netzstatus LTE. Spaßeshalber stelle ich auf 3G um und siehe da, es tut. Das verstehe, wer will…
…und am späten Nachmittag treffe ich die 3 Damen – allesamt aus der Schweiz – im Tipi erneut.