25.07.23 – Via Gebennensis 17. und letzter Tag

von Katja Härle

25. Juli 2023

Saint-Julien-Chapteuil – Le Puy-en-Velay 20,8 km

Das ist der letzte Lauftag auf der Via Gebennensis. Nach meinen Aufzeichnungen waren das 382,6 km, im Schnitt daher 22,5 km pro Tag. Und es sind damit knapp 29 km mehr als im Outdoor-Pilgerführer angegeben. Kann das sein? Gut, ich schätze, ich bin ca. 10 km mehr gelaufen, weil Unterkünfte nicht am Weg lagen oder die ein oder andere Extra-Tour dabei war. Und dennoch, eine so hohe Abweichung? Mir ist ja mehrfach aufgefallen, dass die Wegführung nicht den GPS-Daten und den Karten im Outdoor entspricht, und dennoch überrascht mich die Zahl. Und dann auch wieder nicht. Allein heute sind es wieder mal 2 km mehr als im Pilgerführer (exklusive der Extratour auf den Berg in Le Puy). Als ich einen Ort durchquere und mich wundere, ob das schon die Ausläufer von Le Puy sind, sehe ich folgendes Bild:

Die rote Linie soll die Via Gebennensis sein… und ich wo ganz anders, dabei bin ich heute brav den Muscheln gefolgt.

Es waren zum Teil heiße, harterlaufene Kilometer, lange Strecken mit Geröll und steinigen Wegen auf und ab, die meine Fußmuskulatur aufs Äußerste gefordert und damit auch trainiert haben. Ja, ich merke, dass meine Physis gut da ist auf dem Weg, Beine und Füße sind kräftig und flink. Ich habe starke Bänder und Gelenke, die kaum zum Umknicken neigen. Und wie schaut’s mental und emotional aus? Nun, mein Kopf will oft die Anstrengung nicht, will nicht bergauf laufen. Bergab auch nicht, denke ich doch gleich an mein Knie, obwohl das keine Probleme macht. Am liebsten laufe ich nur einfach so flach dahin. Dabei finde ich das sonst ziemlich langweilig 😉 Gerade brauche ich wohl Langeweile, möchte einfach nur unangestrengt vor mich hingehen, alleine und ganz in mich versunken. Und trotzdem finde ich es derzeit, also eigentlich seit ich den Weg begonnen habe, störend, dass ich mich so überhaupt nicht unterhalten kann. Viele sprechen einfach kein Englisch, von Deutsch gar nicht zu sprechen.

Also was heißt das jetzt: letzter Tag auf der Via Gebennensis und morgen geht’s auf der Via Podiensis von Le Puy Richtung Pyrenäen weiter? Ich weiß es nicht… Scheint wie im richtigen Leben zu sein: ich kann mich einfach nicht entscheiden. Oder ist es vielmehr, dass ich (= mein Herz) mich längst entschieden habe, aber der Kopf will noch nicht folgen??

Irgendwie scheine ich hier noch nicht fertig zu sein: nicht fertig mit mir, nicht fertig mit dem Weg und nicht fertig mit Frankreich. Es fühlt sich so an, dass es, wenn ich jetzt gehe, kein versöhnlicher Abschied wäre. Die Sätze und Worte, die ich gerade finde, scheinen nicht passend, klingen sie doch zu sehr nach Groll. Das trifft es nicht. Es ist nur unvollständig, mein Bild von Frankreich, dem Pilgern in Frankreich, meinen Begegnungen mit den Franzosen und mit meinem Französisch. Und mein Weg hier mit mir scheint unvollständig. Mein Herz scheint mir sogar sagen zu wollen, „lauf nach Santiago“. Naja, so viel Zeit habe ich nicht. Und trotzdem, irgendwas will mein Herz noch erleben. Dabei wäre Flucht gerade einfacher für mich…

Also weitergehen? Ohne große Planung? Laufen und vertrauen, dass ich unterkomme, wenn es Zeit ist, für den Tag aufzuhören? Mal ohne groß zu bloggen? Nur meine Etappe und vielleicht ein paar Bilder? Das kam mir so während des Tages. Für mich, wirklich ganz für mich sein. Vielleicht braucht mein Herz meine Zuwendung, Hinwendung ganz zu mir selbst. Vielleicht Absicht, dass mir immer weniger Menschen begegnen, mit denen ich mich unterhalten kann. Vielleicht besser keine Kommunikation mit „Zuhause“ zu führen? Vielleicht besser ganz hier zu sein, und vor allem nicht mehr vor mir selbst flüchten… ja, vielleicht ist das der Weg… fühle mich gerade ganz klamm (nicht feucht, klamm halt 😉 – ich finde kein passendes Gefühlswort). Es ist keine Angst, eher eine Vorstufe davon.

Aaaah, ein Caminofant 😉
Le Puy ist nicht mehr weit
Die Kapelle Saint-Michel – und klar bin ich raufgestiegen über zig Treppen und davon gibt es in Le Puy-en-Velay viele
Le Puy von oben
Kathedrale – hier werden die Pilger morgen um 7 Uhr im Rahmen der Frühmesse Richtung Santiago entsendet
Werde ich morgen früh diesen Blick haben und ebenfalls starten? Ich denke, oui!
Wer selbst nicht nach Santiago de Compostela gehen kann, kann in der Kathedrale einen Wunsch bzw. ein Gebet hinterlassen, welches einem Pilger nach Santiago mitgegeben wird
Meine heutige Gîte d‘étape
Meine Kammer mit der Nummer 18

Zum Abschluss noch ein paar gesammelte Impressionen der Via Gebennensis:

Wie man hier geht
Wie man hier lebt
Was man hier sieht

Etappe 17 – letzter Lauftag auf der Via Gebennensis



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